Licht (Gone) (German Edition)
Nahrung, er tut weh.« Gaia strich sich die langen schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Er geht mir auf die Nerven.«
»Du siehst aus wie sie, weißt du das? Wie Diana. So wie sie früher ausgesehen hat, als sie sich noch für die schärfste Braut der Welt hielt.«
Gaia runzelte die Stirn.
»Ja«, fuhr Drake fort. »Du siehst echt heiß aus. Und fies. Genau wie sie.«
Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, war ihm klar, dass er zu weit gegangen war.
Gaias Blick durchdrang ihn wie zwei Laserstrahlen. »Du willst mich verletzen.«
Drake schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein! Wie kommst du darauf?«
»Du möchtest diesen Körper verletzen.«
»Ja, vielleicht«, gab Drake zu. »Aber doch nicht dein wahres Ich! Dich Gaiaphage.«
»Denkst du vielleicht, du kennst mein wahres Ich?«
Drake schüttelte erneut den Kopf. Was interessierte ihn das wahre Ich der Dunkelheit. Er wollte bloß die Lust spüren, die ihn überkam, wenn er ein schönes Mädchen mit seiner Peitsche schlug. Das war alles. Er wollte die Schmerzensschreie hören und die Panik in den Gesichtern sehen. Er wollte das blonde Aas finden, dieses arrogante Möchtegerngenie, und zusehen, wie ihre Angst ins Unendliche wuchs, sie dabei beobachten …
»Das Feuer kommt immer näher. Im Rauch greifen wir an.« Gaias Blick war auf den qualmenden Norden gerichtet.
»Ich dachte, du machst dir Sorgen wegen Nemesis.«
»Ich mache mir überhaupt keine Sorgen«, entgegnete Gaia trotzig, aber der Klang ihrer Stimme und die Besorgnis in ihrem Blick verrieten sie.
»Er hat eine Schwester, dein Nemesis. Ein Mädchen, das ihm viel bedeutet. Sie heißt Astrid. Wir könnten sie als Geisel nehmen, um ihn unter Druck zu setzen.«
Gaias Augen weiteten sich. »Ach ja? Ein Mädchen, das er liebt?« Sie lächelte. »Aber wenn du sie tötest, ist sie als Geisel unbrauchbar.«
»Wenn sie tot ist, habe ich auch weniger Spaß«, sagte Drake und lachte. »Lass mich sie holen. Ich bringe sie dir.«
»Eine Geisel«, sagte Gaia nachdenklich. Sie blickte Drake misstrauisch an.
Er konnte ihren dunklen Verstand in seinem eigenen spüren. Es war aber nicht gelogen. Er würde ihr Astrid bringen. Lebendig.
Gerade noch.
Irgendwann.
Drake sah in ihr besorgtes Gesicht. Sie blickte sich um, als suchte sie jemanden. Und dann fiel ihr Blick wieder auf Drake.
Plötzlich kam ihm ein Verdacht: Sie wollte ihn nicht gehen lassen, um nicht allein zu sein. Er durfte sich jetzt nichts anmerken lassen, am allerwenigsten seine Verachtung. Dieser Körper hatte dem Gaiaphage die Gefühle eines Mädchens beschert. Die Schwäche eines Mädchens.
Erst würde er sich Astrid vorknöpfen, dann Diana und schließlich … Gaia?
»Dann geh«, sagte sie endlich. »Bring sie mir.«
Astrid fand Sam in den Trümmern der ehemaligen Kirche. Er saß auf einer umgestürzten Bank, den Blick auf die Scherben eines bemalten Fensters gerichtet, die noch im Rahmen steckten. Das Kreuz war wieder aufgestellt worden und lehnte in einer Ecke.
Er musste sie am Klang ihrer Schritte erkannt haben, denn er drehte sich nicht um.
»Gibt’s was Neues?«
»Nein«, sagte sie. »Edilio macht die Warterei langsam verrückt. Er hat Orc, Jack und Dekka losgeschickt, damit sie die Leute bei der Stange halten und noch mehr Kids von der Barriere herholen. Ich fürchte aber, dass ihnen das nicht gelingen wird. Albert ist auf die Felder gefahren – mit dem Rad. Er will den Pflückern gut zureden, damit sie weiterarbeiten.«
Bei der Vorstellung, wie Albert in seinen gebügelten Sachen die Felder abfuhr und vom Rad aus mahnende Worte an die Kids richtete, mussten sie beide lächeln.
»Das ist seine Art, es wiedergutzumachen«, sagte Sam.
Sie setzte sich neben ihn. »Nachdem er solchen Mist gebaut hat, bleibt ihm gar nichts anderes übrig.«
»Wir sind am richtigen Ort, um über Erlösung zu reden, findest du nicht?« Sam deutete mit dem Kopf aufs Kreuz. »Darum geht’s doch in der Jesusgeschichte.«
»Hör auf, Sam.«
»Du glaubst, du kannst meine Gedanken lesen.«
»Du brauchst keine Erlösung.«
»Was dann?« Er lachte, um einen Scherz daraus zu machen.
»Nur noch einen Sieg«, antwortete sie.
»Noch einen Sieg.« Er ließ den Kopf hängen. »Bis jetzt habe ich mehr Glück als Verstand gehabt. Mehr als mir zusteht. Ich meine, wie oft bin ich um Haaresbreite davongekommen? Ich kann das nicht einmal zählen.«
»Sam, hör auf damit.«
»Wozu habe ich gekämpft? Nur, damit ich überlebe?« Er zuckte die Achseln.
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