Licht (Gone) (German Edition)
Eltern gesehen, ihnen Nachrichten geschrieben und gewunken hatten, hatten sie es aufgegeben.
Sinder hatte noch keinen Kontakt aufgenommen. Aus Angst, sie würde es nicht ertragen. Doch jetzt suchte sie die Menge nach bekannten Gesichtern ab. So viele Leute! Manche von ihnen schauten herein. Andere wirkten, als könnten sie den Anblick kaum noch ertragen. Sie sahen alle so sauber aus. Niemand war bewaffnet. Sie hatten zu essen, setzten sich gerade zum Frühstück hin, bissen in ihre Brote und Donuts und tranken dampfenden Kaffee aus Pappbechern.
Sinders Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Dabei war sie im Vergleich zu den meisten hier noch gut genährt. Viele lagen apathisch herum, bestanden nur noch aus Haut und Knochen. Verglichen mit den Leuten in der Stadt, hatten die Kids am See eindeutig mehr zu essen gehabt.
Jetzt waren sie tot. Und alle ihre Bemühungen, sie zu ernähren, waren letztlich vollkommen sinnlos gewesen.
Ob ihre Eltern hier waren? Wieder suchte ihr Blick die Menge ab, wanderte über die vielen Gesichter. Dann sah sie den großen HD -Bildschirm, auf dem Treffpunkt stand. Sie ging hinüber.
Draußen stand eine junge Frau, die sich sichtlich langweilte. Als sie den fragenden Blick in Sinders Augen bemerkte, hob sie ein Schild hoch. Darauf stand: Auf der Suche nach Angehörigen?
Ja, dachte Sinder. Nach lebenden Angehörigen. Tote Angehörige habe ich schon mehr als genug.
Dein Name?
Sinder hatte nichts zu schreiben. Sie kratzte ihren Namen in den Boden.
Die Frau nickte, dann hielt sie sich die Hand wie einen Telefonhörer ans Ohr, als wollte sie mit jemandem sprechen.
Sinder lächelte dankbar.
Jetzt zog die Frau ihr Handy hervor und schrieb eine SMS . Danach bedeutete sie Sinder, sich hinzusetzen und zu warten.
Also setzte Sinder sich hin. Um die Zeit totzuschlagen und weil sie das bevorstehende Wiedersehen nervös machte, suchte sie nach einem Lebewesen, dem sie zu Wachstum verhelfen konnte. Um sie herum war jedoch alles niedergetrampelt. Kein einziger Grashalm hatte überlebt.
»Wie fühlst du dich, Sam?«
Er öffnete die Augen, erblickte Astrid, schien einen Moment lang verwirrt, sah sie noch einmal an und lächelte. »Besser.«
Er wollte sich aufsetzen.
»Nein, nein, bleib liegen. Es geht dir besser, aber noch nicht gut.« Sie streichelte seinen Kopf. »Außerdem bist du auf ein Brett geschnallt.«
Plötzlich sah er sie erschrocken an. »Und Gaia?«
»Sie ist verletzt. Lief weg.«
»Aber nicht tot.«
Astrid schüttelte den Kopf.
Er schnupperte in der Luft. »Es brennt.«
»Ja, der Wald brennt. Keine Ahnung, wie weit sich das Feuer schon ausgebreitet hat.«
Sam schloss die Augen. »Das waren ich und Gaia. Ich habe nicht einmal nachgedacht, einfach nur gefeuert …«
»Versucht, am Leben zu bleiben.«
»Was ist mit Caine?«
Astrid begann, die Stoffbahnen, mit denen er festgebunden war, abzuwickeln. Seine Unruhe, der Wunsch, sich aufzusetzen, waren ein deutliches Zeichen, dass sein Rücken wieder in Ordnung war.
»Bist du wirklich schon so weit?«, fragte sie.
»Meine Schulter tut noch weh. Aber erzähl mir, was los ist.« Er lächelte sie an und setzte sich auf. »Du bist so schön.«
Astrid brachte ihn auf den aktuellen Stand. Dass Sam durch seine bloße Existenz Gaia zu mehr Macht verhalf, erwähnte sie genauso wenig wie ihren vergeblichen Versuch, den kleinen Pete zu kontaktieren. Sie hielt sich an die Fakten: Caine und Diana waren zur Insel gefahren, Edilio bereitete sich auf den nächsten Angriff vor, die Kids waren wieder auf den Feldern, fürchteten sich aber zu Tode.
Sie wartete, bis er das alles verdaut hatte, ehe sie ihm die letzte und schlimmste Neuigkeit zumutete.
»Sam, Brianna ist tot.«
Zuerst starrte er sie nur an. Dann fragte er mit leiser Stimme: »Der Wirbelwind?«
»Sie hat Gaia herausgefordert. Es sah fast schon so aus, als würde Brianna gewinnen. Wieder einmal. Nur dieses Mal …«
Sams Augen schwammen in Tränen. »Wie geht es Dekka?«
»Sie ist am Boden zerstört. Roger ist auch tot und Edilio … Sam, es ist wirklich schrecklich.«
»Ich verstehe aber immer noch nicht, warum Gaia mich nicht erledigt hat, als sie die Möglichkeit dazu hatte.«
Darauf sagte Astrid nichts.
In diesem Moment betrat Lana den Raum und lenkte Sam von Astrids verdächtigem Schweigen ab. »Wie fühlst du dich?«
»Besser, als ich es verdient habe«, antwortete er. »Du hast für Brianna sicher alles getan, was in deiner Macht stand.«
Lana schüttelte
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