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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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der Pistole auf den Eingang. Da erklang zu den Schritten ein fröhliches
Pfeifen.
    Mir sank der Mut. Jack.
    Die Teile des Puzzles fügten sich zusammen. Mir wurde klar, warum
das Leuchtfeuer entzündet worden war: Der Junge hatte Creed gegenüber das
einjährige Jubiläum von King Georges Thronbesteigung erwähnt.
    Ja, das musste der Grund sein. Wenn die Leute in meiner Zeit ein
Thronjubiläum mit der Entfachung des Leuchtfeuers feierten, taten es die
Menschen wohl auch in dieser Zeit. Das Schicksal hatte mich am ersten Jahrestag
von King Georges Thronbesteigung hergeführt, an dem Tag also, an dem Jack laut
Aussage des Herausgebers seiner unvollendeten Memoiren durch einen Schuss des
Constable sein Ende finden sollte.
    Das hatte ich in einem Buch gelesen, und gedruckte Seiten änderten
sich nicht. Wie in dem Gedicht, das ich auf dem Schiff für Daniel zitiert
hatte, war bereits durch den Finger geschrieben, was geschehen musste.
    Aber ich konnte nicht tatenlos zusehen, wie ein weiterer Mann in
meiner Gegenwart gewaltsam sein Leben verlor.
    Als Jack die Höhle betrat, stürzte ich mich auf den Constable und
rief: »Jack, verschwinden Sie! Warnen Sie Daniel! Laufen Sie weg!«
    Der Schuss war so laut, dass ich nicht wusste, ob er mich gehört
hatte, und durch den Rauch, der die Höhle erfüllte, konnte ich nichts mehr
sehen. Als der Rauch sich verzogen hatte, war die Stelle, an der Jack gestanden
hatte, leer.
    Der Constable hatte einen anderen getroffen. Der Bursche schaute
mich mit großen Augen an, machte einen unsicheren Schritt und legte schließlich
eine Hand auf den größer werdenden roten Fleck auf seiner Brust, bevor er
stolperte und stürzte.
    Creed reagierte erst einmal verblüfft, dann nahm sein Gesicht einen
furchteinflößenden Ausdruck an. Die Waffe in der Hand, holte er aus und schlug
zu. Ich spürte den Schmerz an meiner Wange und wie Blut über meine Schläfe
lief. Auch ich geriet ins Stolpern, aber ich fiel nicht hin.
    Als Hewitt Anstalten machte, mir zu helfen, warnte Creed ihn:
»Halten Sie sich da raus. Und Sie genauso«, fügte er, an den Mann hinter sich gewandt,
hinzu. »Verschwinden Sie, beide, und bringen Sie mir Jack Butler.«
    Als die Männer zögerten, wiederholte er: »Verschwinden Sie!«
    Die beiden gingen. Ich hörte ihre Schritte auf dem
Muschel-Kiesstrand, zuerst noch langsam, dann immer schneller werdend.
    Obwohl Creed mir nicht näher kam, hatte ich das Gefühl, dass der
Abstand zwischen uns geringer wurde.
    »Soso«, bemerkte er. »Sie können also sprechen.«
    Ich überlegte. Viel hatte ich nicht gesagt, und der Schuss war so
laut gewesen, dass er mich vermutlich nicht richtig hatte verstehen können.
Vielleicht wusste er noch nicht, dass ich keine Irin war. Deshalb war es das
Beste, weiter den Mund zu halten.
    »Ein kluger Schachzug von Butler und Ihrem Bruder«, bemerkte Creed.
»Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, Ihnen Fragen zu stellen.«
    Dass er mich nach wie vor für Fergals Schwester hielt, hätte mich
mehr beruhigt, wenn er die Pistole nicht nachgeladen hätte.
    »Aber jetzt, da ich Sie habe sprechen hören, würde ich gern
erfahren, wie gut Sie singen.«
    Er richtete die Waffe auf mich.
    »Sie können doch singen, Mistress O’Cleary? Sie werden feststellen,
dass das eine nützliche Fähigkeit ist, wenn man nicht mit dem Kopf in der Schlinge
des Henkers landen möchte. Verraten Sie mir, was Butler heute Nacht von hier
wegbringen möchte und wohin.«
    Ich schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. Mir war klar,
dass er mir nur Angst einjagen wollte. Denn ich war für den Constable ein Druckmittel.
    Er würde mich noch nicht umbringen; an diese Hoffnung klammerte ich
mich, als ich einen weiteren Schritt nach hinten tat, um näher an Daniels Dolch
heranzukommen.
    »Sie wissen, welches Schicksal einer Frau wie Ihnen in Newgate
beschieden ist?«, fragte Creed. »Das Gesetz äußert sich eindeutig zu denen, die
Verrätern Schutz gewähren. Am Ende werden Sie sagen müssen, was Sie wissen, und
man wird ihn trotzdem hängen. Ihr Leid wird gänzlich umsonst gewesen sein. Wenn
Sie reden, kann ich das Gericht vielleicht davon überzeugen, Gnade walten zu
lassen.«
    »Ein großherziges Angebot, aber ich bezweifle, dass sie es annehmen
wird«, hörte ich da eine Stimme sagen.
    Als ich den Kopf wandte, sah ich zu meiner Überraschung etwa sechs
Meter von uns entfernt Jack am Höhleneingang stehen. Die Pistole auf Creed
gerichtet, fuhr er fort: »Sie haben ihr kaum

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