Licht über den Klippen
schwierig wie mein Bruder.«
Auf jeden Fall war er gesprächiger. Die meisten Menschen hätten sich
in Gesellschaft einer Stummen vermutlich unwohl gefühlt, aber für Jack Butler
schien das kein Problem zu sein. Während ich kochte, wippte er auf seinem Stuhl
vor und zurück, bis seine Schultern die Wand berührten, und stellte mir Fragen,
die er selbst beantwortete. »Hat er Ihnen alles über mich erzählt? Natürlich,
denn wenn nicht, hätten Sie sich vor mir gefürchtet. Auch wenn er wohl nicht
erwartet hat, dass ich vor ihm heimkomme.«
Seinen Äußerungen entnahm ich, dass er glaubte, sein Bruder sei noch
mit der Sally unterwegs. Das erklärte, warum der Constable der Meinung
war, es sei niemand zu Hause.
»Sie sind die ganze Zeit allein hier gewesen?« Als er meine Reaktion
sah, hakte er nach: »Es war jemand da?«
Ich nickte.
Er stieß sich von der Wand ab, sodass die Stuhlbeine den Boden
wieder berührten. »Ein willkommener Gast?«, erkundigte er sich in ernsterem
Tonfall.
Ich schüttelte den Kopf. Sein Blick verriet mir, dass er ahnte, wer
da gewesen war. Der gewaltsam geöffnete Schrank in der Spülküche bedurfte
keiner weiteren Erklärung.
»War der Constable allein? Hat er das Haus durchsucht? Hat er etwas
gefunden?«
Zum Glück konnte ich den Kopf schütteln.
»Das muss ihm die Laune gründlich verdorben haben«, meinte Jack
Butler mit spöttischem Grinsen. Dann schien ihm ein anderer Gedanke zu kommen.
»Hat er Ihnen etwas getan?«
Ich schüttelte zögernd den Kopf.
»Sicher?« Er musterte mich eingehend. Dabei fiel ihm zum ersten Mal
das Gewand auf, das ich trug.
Obwohl er es zu erkennen schien, runzelte er lediglich kurz die
Stirn. »Gut, denn sonst würde Daniel ihm die Eingeweide aus dem Leib reißen.«
Ich hatte völlig vergessen, dass Männer seiner Zeit sich noch
verpflichtet fühlten, die Ehre einer Frau zu verteidigen, und war froh, dass
der Constable mich nur mit Worten verletzt hatte.
Warum wohl? Ich erinnerte mich, wie sein dunkler Blick über mein
Kleid gewandert war. Hatte er am Ende selbst einen Geist darin gesehen und sich
deshalb zurückgehalten?
In jedem Fall war ich dankbar, dass er mich verschont und ich mir
die Zeit genommen hatte, die Zimmer aufzuräumen, bevor Jack sie sah. Er hätte
Daniel sicher von dem Chaos erzählt. Fergal hatte recht gehabt – Jack Butler
redete gern.
Hauptsächlich über sich selbst. Trotzdem war ich froh über seine
Gesellschaft, in der ich mich sicherer fühlte als allein. Dass Jack Butler sich
in einem Kampf gut schlagen würde, lag auf der Hand.
Zu meiner Überraschung hatte er Manieren. Obwohl der Hammelbraten am
Ende ziemlich verkohlt war und die Gersten-Karottensuppe längst nicht so gut
schmeckte wie die von Fergal, verzehrte Jack beides, ohne zu murren, und aß die
Reste kalt am Abend.
Erst als die Dämmerung hereinbrach und Jack die Kerzen auf dem Tisch
in der Küche anzündete, blitzte sein Schalk auf.
»Nun, Mistress«, fragte er, »soll ich Sie ins Bett bringen?«
Zum Glück blieb mir eine Reaktion darauf erspart, weil sich eine
Gestalt aus den Schatten hinter uns löste.
»Welch freundliches Angebot, Jack«, stellte Daniel Butler mit vor
der Brust verschränkten Armen fest. »Aber ich glaube, das ist mein Vorrecht.«
FÜNFZEHN
F ergal schob sich an
Daniel vorbei und sagte streng: »Benehmt euch, ihr zwei. Meine Schwester findet
ohne eure Hilfe ins Bett.«
»Deine Schwester?«, rief Jack überrascht aus. Fergals Antwort hörte
ich nur mit halbem Ohr, weil meine Aufmerksamkeit sich auf Daniel konzentrierte.
Er wirkte genauso erfreut über unser Wiedersehen wie ich.
»Besinn dich auf deine Manieren«, wiederholte Fergal, an Jack
gewandt.
»Selbstverständlich«, versicherte Jack. »Möglicherweise warnst du
den falschen Butler.«
»Das gilt auch für Daniel«, erwiderte Fergal, dessen Blick auf den
verkohlten Hammelbraten fiel. Er runzelte die Stirn. »Woher hast du das
Fleisch?«
»Das ist mir über den Weg gelaufen«, antwortete Jack. »Unter so
traurigen Umständen, dass ich es befreien musste.«
»Und was hast du sonst noch befreit?«, erkundigte sich Fergal.
»Nur den Hammelbraten. Mehr konnte ich nicht tragen.«
Daniel, nach wie vor an der Tür, fragte: »Und wer muss nun
deinetwegen Hunger leiden?«
»Ein fauler Händler, der dumm genug war, sein Fuhrwerk beim Schlafen
unbeaufsichtigt zu lassen.«
»Irgendwann wirst du den Bogen überspannen«, meinte sein Bruder. »Du
kannst von Glück sagen, dass
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