Licht über den Klippen
Fergal.
»Fergal?«
»Aye?«
»Könnten Sie mir das Haar ein bisschen anders machen als ihr
damals?«
Er nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Nehmen Sie den
Handspiegel, dann zeige ich Ihnen, wie Sie den Hinterkopf frisieren. Ich kann
ja nicht jeden Morgen zu Ihnen ins Zimmer kommen. Das würde Jack sicher gar
nicht gefallen.«
»Wo steckt Jack überhaupt?«
»Er holt die Pferde. Wenn wir unterwegs sind, stellen wir sie auf
die Koppel in Penryth, wo ein Bauer sie füttert und ihnen Wasser gibt.«
An die Pferde hatte ich keinen Gedanken verschwendet. Ich hätte
nicht einmal gemerkt, wenn sie im Stall verhungert wären. Als ich das gestand,
meinte Fergal nur: »Sie hatten andere Sorgen. Es ist ja nichts passiert.«
Als er fertig war, erkannte ich mich fast nicht wieder. Mein Haar
war nach oben frisiert und so festgesteckt, dass sich wie zufällig ein paar
Locken um mein Gesicht kringelten. »Das kriege ich nie hin.«
»Doch, das schaffen Sie«, widersprach Fergal. »Das ist nichts im
Vergleich zu der Begegnung mit Constable Creed. Setzen Sie die Haube auf«, wies
er mich an und reichte mir eine schlichte Kappe aus weichem weißem Leinen.
»Dann sind wir fertig und können uns der nächsten Lektion zuwenden.«
»Was für einer Lektion?«
»Meine Schwester sollte in der Lage sein, einen Hammelbraten zu
machen, ohne ihn anbrennen zu lassen, und Porridge ordentlich zu würzen. Unsere
Mutter würde sich im Grab umdrehen«, fügte er mit ernster Miene hinzu.
SECHZEHN
D ie Sally lag nicht
lange vor Anker. Schon am folgenden Morgen stach Jack damit in See. Ich
beobachtete mit Daniel von unterhalb des Hauses aus, wie die weißen Segel am
Hafen von Polgelly weit unter uns vorbeiglitten und sich in Richtung Osten
entfernten.
»Wo will er hin?«, fragte ich.
»Das darf ich nicht sagen.«
»Weil Sie mir immer noch nicht vertrauen.«
»Weil es das Beste ist, wenn Sie über bestimmte Dinge nichts
wissen«, widersprach er.
Obwohl ich spürte, dass er mich ansah, hielt ich den Blick auf Meer
und Schiff gerichtet.
»Sind alle Frauen in Ihrer Zeit so neugierig?«
»Die Frauen in meiner Zeit sind vieles«, antwortete ich. »Ärztinnen,
Anwältinnen, Staatsoberhäupter. Wir können das Gleiche erreichen wie Männer.«
Ich wusste nicht, ob er mir glaubte. »Staatsoberhäupter? Wir hatten
bis vor Kurzem auch eine Königin.«
»Unsere Frauen sind nicht nur Königinnen, sondern gewählte
Staatsoberhäupter.«
»Sie scherzen.«
»Sie glauben nicht, dass eine Frau die Fähigkeiten dazu besitzt?«
Er überlegte. »Ich spreche Frauen nicht die Intelligenz ab. Was mich
wundert, ist, dass die Gesellschaft es zulässt.«
»Ja, das kann ein Problem sein. Aber immerhin haben wir Frauen die
Möglichkeit, unsere Begabungen zu nutzen. Im Prinzip können wir jeden Beruf
ergreifen.«
Die Segel der Sally wurden kleiner und waren bald nur noch ein kleiner weißer Punkt auf den Wellen
des blauen Atlantik.
Wieder dachte Daniel nach. »Wenn die Frauen Ihrer Zeit tatsächlich
solche Freiheiten genießen, muss der Aufenthalt hier schwierig für Sie sein.«
Wenn ich dauerhaft bleiben wollte, hatte er recht. Die Eingewöhnung
wäre schwierig. Meine Meinung zählte in der Öffentlichkeit nicht mehr, alle
gesetzlich gesicherten Rechte, die ich bisher für selbstverständlich gehalten
hatte, gälten nicht mehr, und ich wäre finanziell abhängig, weil ich mir meinen
Lebensunterhalt nicht selbst verdienen konnte.
Daniel musterte mich einen Moment, bevor er den Blick aufs Meer
richtete. »Mein Bruder segelt zur bretonischen Küste.«
Das war ein offener Beweis nicht nur seines Vertrauens, sondern
seiner Achtung vor mir.
»Er hat Freunde in einem Hafen dort, die ihn mit Wein, Seidenstoffen
und Perücken für den Handel beliefern. Außerdem gibt es junge Frauen, deren
Männer zu lange zum Fischen auf See bleiben. Höchstwahrscheinlich hat mehr als
nur ein Kind in dem Ort Ähnlichkeit mit meinem Bruder.« Er schmunzelte. »Die
Frauen Ihrer Zeit wären sicher zu klug, um auf ihn hereinzufallen.«
»Gewisse Dinge ändert die Zeit nicht.«
»Aber Sie sind anders. Mein Bruder sagt, sein Charme habe Sie ungerührt
gelassen.«
»Hat es ihn gekränkt?«
»Vermutlich. Auch wenn er behauptet, er habe mir das nur anvertraut,
um mich zu beruhigen, denn aus der Tatsache, dass er Sie in meinem Bett entdeckt
hat, zieht er gewisse Schlüsse.«
»In Zukunft wird mich niemand mehr im Bett überraschen. Fergal hat
mir ein Vorhängeschloss
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