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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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keinen Grund, mich und Fergal zurückzulassen.
    »Ich finde es keine schlechte Idee, sie mitzunehmen«, sagte Fergal.
»Du kannst der Mannschaft ja sagen, ich sei dabei, um ihre Tugend zu schützen.«
    »Die Mannschaft braucht keine Erklärung für deine Anwesenheit. Ich
muss keine Ammenmärchen erzählen.«
    »Wer behauptet denn, dass das ein Märchen ist?«, fragte Fergal mit
einem strengen Blick auf Daniels Hände, die nach wie vor auf meiner Taille
ruhten, bevor er sich kopfschüttelnd zum Gehen wandte.

NEUNUNDZWANZIG

    D er Abend brachte eine
sanfte Brise und gedämpftes Licht über die Wälder, wo die Vögel und anderen
Tiere träge verstummten. Fergal, der vor mir herging, verursachte trotz seiner
schweren Stiefel kaum ein Geräusch und bewegte sich wie ein Schatten zwischen
den Bäumen. Ich versuchte, es ihm gleichzutun, doch der Saum meines langen
grünen Kleides raschelte über Gras, Zweige und niedrige Sträucher, und
schließlich hoppelte direkt vor mir ein aufgeschrecktes Kaninchen über den Weg.
    Fergal drehte sich um und gab mir ein Zeichen, dass ich ihm leiser
folgen solle.
    Ich tat mein Bestes.
    Auf diesem Pfad war ich das erste Mal. Es handelte sich um den Weg,
der vor so langer Zeit bei einem Spaziergang durch den Wilden Wald aufgetaucht
und wieder verschwunden war und der, das wusste ich inzwischen, zum Meer
führte. Der Geruch von Salz und Gischt verstärkte sich, als wir uns dem
südlichen Rand des Waldes näherten.
    Hier führte der Pfad scharf nach rechts unten und wand sich die
schwarzen Felsen am Rand der Klippe entlang. Dieser Abstieg zum Strand war
breiter und weniger tückisch als der am Cripplehorn. Dennoch musste ich
aufpassen, wohin ich trat. Die leichten Schuhe machten meine Schritte unsicher,
und das schwere Kleid drohte mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich war
froh über Fergals stützende Hand.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich hohe Masten und ein Schiff wahr. Erst
als wir das untere Ende des Wegs erreicht hatten und ich den Kopf heben konnte,
sah ich die Sally nicht weit
vom Ufer entfernt vor Anker liegen.
    Ich hatte sie erst einmal zuvor vom Hügel bei Trelowarth aus
beobachtet, als Jack in Richtung Bretagne gesegelt war.
    Sie war kein allzu großes Schiff, maß etwa fünfzehn Meter vom Bug
bis zum Heck und hatte vier Stückpforten für die Kanonen in ihrem gewölbten
Bauch sowie zwei hoch aufragende Masten mit Tauwerk und Segeln, die im Wind
flatterten.
    Sie lag im Windschatten des schützenden Landvorsprungs, der Rumpf
schwarz wie die hohen Klippen hinter ihr, und wirkte mit den weiß schimmernden
Zierleisten auf mich wie eine elegante Dame.
    »Aye, sie ist eine Lady«, pflichtete Fergal mir bei, als ich ihm das
sagte. »Sie wurde in Deptford gebaut. Nur wenige Schiffe sind so schnell wie
sie.«
    Von Segeltörns mit Freunden in Kalifornien wusste ich, Steuer- von
Backbord zu unterscheiden, aber ich hatte keine Ahnung von Schiffen dieser
Zeit, in welche Klassen man sie einteilte und wie die Segel hießen. Doch der
Anblick der Sally ließ mich
begreifen, warum Jack und Daniel sie gleichermaßen für sich beanspruchten: Sie
war zu schön, um sie zu teilen.
    Fergal winkte, und von Deck aus winkte ein Mann zurück. Dann tauchte
ein zweiter auf. Und ein weiterer.
    Ich beobachtete vom Kiesstrand aus, wie sie ein Boot zu Wasser
ließen und ein Mann zu uns herüberruderte. Fergal hob mich hinein, ohne mich
vorzustellen oder meine Anwesenheit zu erläutern.
    An Deck der Sally klärte Fergal die Mannschaft auf: »Das ist meine Schwester Eva. Sie begleitet
uns. Sie kann nicht sprechen, aber wenn irgendeiner von euch sie belästigt,
erfahre ich es. Ist das klar?«
    Der jüngste der Männer war noch fast ein Kind, der älteste an die
sechzig, und alle hatten den Blick von Seeleuten, die die harte Zeit auf See mit
Trinkgelagen in Hafenkneipen beendeten. Zum Glück wirkte keiner von ihnen so,
als könnte er Fergal in einem Kampf besiegen.
    Als die Männer wieder an ihre jeweilige Arbeit gegangen waren,
blinzelte Fergal in den Himmel, als wollte er den Stand der Sonne bestimmen.
»Zwei Leute fehlen noch«, erklärte er. »Und Danny. Unter Deck ist das Warten
bequemer.«
    Eigentlich wäre ich gern oben geblieben, weil ich noch nie auf einem
alten Schiff gewesen war. Es faszinierte mich, wie die Segel über mir
flatterten und das Tauwerk ächzte, das Deck sich mit den Wellen hob und senkte
und wie der Wind und die untergehende Sonne sich auf meinem Gesicht anfühlten.
Aber es hatte keinen

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