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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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Fergal folgen würde, sobald es beladen wäre,
doch Fergal belehrte mich eines Besseren.
    Mit einem kurzen Nicken teilte er mir mit: »Ich gehe jetzt. Und Sie
sollten sich nach unten zurückziehen.«
    »Wie bitte?«
    »In der Kabine sind Sie sicherer. Kommen Sie.«
    Er begleitete mich und vergewisserte sich kurz, dass alles so war,
wie es sein sollte.
    Obwohl es mir nicht gelang, meine Enttäuschung zu verbergen, fragte
Fergal, die Hände in die Hüften gestemmt, lediglich: »Können Sie mit einer
Pistole umgehen?«
    »Wie bitte?«, sagte ich noch einmal.
    Er ging zum Schreibtisch und zog die oberste Schublade gerade so
weit heraus, dass ich die Waffe darin sah. »Sie ist geladen. Wissen Sie, wie
man sie abfeuert?«
    »Eher nicht.«
    »Ich zeige es Ihnen. Geben Sie Acht.« Er nahm die Pistole aus der
Schublade.
    »Fergal …«
    »Sie werden sie nicht brauchen«, beruhigte er mich. »Es bleiben drei
Männer mit Ihnen an Bord, und keiner wird Sie bedrängen. Denen könnte ich meine
Mutter anvertrauen. Trotzdem sollte man am besten immer auf das Schlimmste
vorbereitet sein«, fuhr er mit einem Schulterzucken fort, »denn dann wird man
selten enttäuscht.«
    »Fergal.«
    »Aye?«
    »Kann ich nicht mitkommen?«
    Er gab sich Mühe, so zu tun, als würde er ernsthaft über meine Frage
nachdenken. »Wenn Sie ein Marktweib oder eine Dirne wären, könnten Sie das,
aber da Sie das nicht sind, täten Sie gut daran, in der Kabine zu bleiben«,
riet er mir. »Wofür halten Sie uns? Glauben Sie wirklich, wir würden eine Frau
mit an Land nehmen?«
    »Nun …«
    »Beobachten Sie ruhig aus diesem Fenster, wie viele Frauen aus dem
Ort ihr sicheres Zuhause verlassen, um uns zu begrüßen«, sagte er. »Wenn sie
sehen, dass die Sally vor
Anker geht, verschwinden sie sofort, um ihre Tugend zu bewahren.«
    »Wahrscheinlich, weil sie meinen, Jack wäre mit von der Partie.«
    Fergal grinste. »Aye, gut möglich.« Er reichte mir die Pistole. »Und
jetzt verriegeln Sie diese Tür.«
    Als er weg war, legte ich die Pistole zurück in die Schublade, weil
ich es als zu gefährlich empfand, sie in der Hand zu halten. Über mir
kletterten die letzten Männer der Mannschaft in das wartende Boot. Als ich die
platschenden Ruder hörte, trat ich einen Schritt vom Fenster zurück. Ich wollte
nicht, dass sie sahen, wie ich ihnen, einem zurückgelassenen Kind gleich,
nachschaute.
    Doch Selbstmitleid hatte keinen Sinn; es blieb mir nichts anderes
übrig, als nach einer Beschäftigung zu suchen.
    Die Kapitänskajüte war nicht gerade darauf ausgerichtet, Gäste zu
unterhalten. An der Wand beim Schreibtisch befand sich lediglich ein Regal mit
Seekarten, Papieren und einigen Büchern, die mir nicht allzu verlockend
erschienen. Das eine befasste sich mit Mathematik, das andere war auf
Lateinisch geschrieben und das Dritte entweder von Alexander Pope selbst oder
über ihn, weil sein Name auf dem Rücken stand. Das hielt ich noch für das
Interessanteste. Als ich versuchte, es aus dem Regal zu ziehen, löste sich auch
das daneben Stehende und fiel aufgeschlagen auf den Boden.
    Ich hob es auf. Dabei sah ich die schwarze Tinte, an manchen Stellen
mit Klecksen; es handelte sich also nicht um ein gedrucktes Werk.
    Es schien kein Tage- oder Logbuch zu sein, denn es waren keine
Einteilungen für Tage und Uhrzeiten darin zu finden, nur durchgehende
handschriftliche Absätze.
    Ich klappte den Band zu und schlug ihn auf der ersten Seite auf, wo
ich folgende, in nicht allzu eleganter Schrift geschriebene Worte lesen konnte:
»Jack Butler, Sein Buch.«
    So, wie es aussah, hatte Jack bereits etwa die Hälfte seiner
Memoiren verfasst, die später veröffentlicht werden und in dreihundert Jahren
ihren Weg zu mir finden sollten.
    Bisher war ich nicht dazu gekommen, viel mehr als die ersten Seiten
von Ein Leben hart am Wind zu
lesen, für das Oliver bestimmt einen horrenden Preis gezahlt hatte. Die Mühe
hätte er sich sparen können, dachte ich, denn nun bekam ich das Ganze
kostenlos. Als Eindringen in Jacks Privatsphäre empfand ich das nicht, weil
seine Erinnerungen in meiner Zeit offen zugänglich waren. Die erste Seite
verriet, dass der Text ohne jegliche Veränderung veröffentlicht worden war.
    Ich stellte den Alexander-Pope-Band zurück ins Regal und machte es
mir mit Jacks Buch in der sanft schwingenden Hängematte bequem.
    Es war merkwürdig, exakt die gleichen Worte wie zwei Tage zuvor zu
lesen, den Bericht über Jacks und Daniels Kindheit. Der Text konzentrierte

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