Licht und Dunkelheit
davon, dass ich mit meiner Energie einen Mann töte, wenn ich –«
Sie brach verlegen ab.
Sein Lachen klang wie das Plätschern des Sees Luna, wenn sie durch die Oberfläche brach.
»Schscht, seid leise, Ihr weckt Agilus.«
Sie lauschten gemeinsam auf die gleichmäßigen Atemzüge des Kindes.
»Ich bin bereit, das Risiko einzugehen.« Seine Stimme war dunkel und sanft.
»Aber ich nicht. Außerdem gibt es noch viele weitere Gründe, die gegen eine Heirat sprechen.«
»Und die wären?«
»Lest das Buch Eurer Großmutter genauer, dann kennt Ihr sie.«
»Sagt es mir, ich will es von Euch hören.«
»Ich möchte meine Freiheit nicht verlieren.«
Er lächelte. »Das ist kein Grund. Ich werde Euch Eure Freiheit nicht nehmen.«
»Jedenfalls nicht mehr als bisher, nicht wahr?«
»Ihr irrt Euch. Wenn Ihr meine Frau seid, bekommt Ihr mehr Freiheiten. Ihr könnt reiten, so oft Ihr wollt, Ihr dürft mit dem Bogen jagen, wann immer es Euch danach verlangt. Ihr könnt die Nächte im Wald verbringen – das allerdings nur mit mir zusammen. Ich weiß, was Ihr braucht, und ich bin kein Mann, der davor Angst hätte.«
»Ich kann und werde Euch nicht heiraten.«
»Liebt Ihr mich nicht, Lady Levarda?«
Diese samtige Stimme, die ihr Schauer der Erregung über den Körper jagte! Sie schluckte. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht, schließlich war er das immerwährende Ärgernis, die ständige Bedrohung in ihrem Leben, wenn sie an die Albträume aus ihren Kindertagen dachte. Sie verstand nicht, warum sich seit der Nacht am See dieses helle Licht in ihr eingenistet hatte, woher es kam, seine Energie bezog.
»Ich weiß es nicht. Ich weiß überhaupt nicht, ob ich in der Lage bin, jemanden zu lieben«, erwiderte sie ihm ehrlich.
»Levitus und Agilus liebt Ihr, das sieht jeder, der nicht blind ist.«
»Das ist etwas anderes. Wenn Ihr es damit vergleicht, liebe ich auch Adrijana, Sendad, Lemar und Egris.«
»Wenn einer von ihnen Euch berührt ...«
Seine Stimme, samtig weich, vibrierte in seiner Brust und ließ das Licht in ihr erneut auflodern, schürte ein Verlangen nach seiner Berührung. Wie konnte allein seine Stimme das bewirken?
»... reagiert Ihr dann genauso, wie jetzt?«
Sie hatte befürchtet, dass er die Zunahme der Energie fühlen konnte.
»Nein.«
»Dann liebt Ihr mich«, stellte er zufrieden fest.
Verunsichert schloss sie die Augen und betrachtete das hell leuchtende Licht in sich. War das Liebe? Sie öffnete die Augen. Sie starrte auf den Platz, wo er kurz zuvor gesessen hatte. Levarda sah sich im Raum um, schaute unter dem Bett nach, prüfte die Fenster und die Tür. Alles war verschlossen.
Verwirrt kroch sie zurück in ihr Bett. Hatte sie etwa alles nur geträumt?
Am nächsten Tag bat Serafina Levarda um ihre Hilfe bei den Stickarbeiten für eine Decke von Agilus. Die Arbeit mit der jungen Frau beruhigte Levardas aufgewühlte Gedanken. Inzwischen war sie überzeugt, dass ihre überstrapazierten Nerven ihr in der Nacht einen Streich gespielt hatten.
Sie stickten gemeinsam an einem Pferd, das den Großteil der Decke einnahm. Levarda spürte, dass Serafina etwas auf dem Herzen hatte. Geduldig wartete sie, bis das Mädchen Mut fassen würde, und lauschte derweil den Gesprächen der Hofdamen. Wie so oft stand der erste Befehlshaber der Garde im Mittelpunkt der Diskussion. Es amüsierte sie, dass niemand sie nach ihrem Tanz mit ihm fragte, obwohl es zweifellos allen durch den Kopf ging. Sie spielte mit dem Gedanken, die Anmerkung fallen zu lassen, dass er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte, wusste aber, dass sie das in ernsthafte Schwierigkeiten bringen würde. Mit einem leichten Kopfschütteln hörte sie sich die Mutmaßungen der Hofdamen darüber an, ob Lord Otis‘ Bemerkung gegenüber Lady Smira, Lady Hamada sei ein nettes Mädchen, bedeute, dass er sie zur Frau wählen würde oder nicht. Strategisch womöglich eine sinnvolle Wahl, dachte Levarda, Hamada war die Cousine von Prinz Tarkan. Sie stellte sich die Hochzeit vor und fühlte Mitleid mit ihm. Abgesehen davon, dass sie Hamada nicht mochte, würde es politisch keine einfache Ehe werden.
Eine verwandtschaftliche Beziehung mit dem Königshaus der Eldemarer wäre nach der Geburt des Thronfolgers unerlässlich. Erstmals seit dem Tod der ersten hohen Gemahlin würde der Frieden zwischen den Ländern mit einem solchen Bund wieder gestärkt.
Sie runzelte die Stirn. Was für eine Wahl hatte er überhaupt? Er war ein Gefangener der Politik,
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