Licht und Dunkelheit
verhalten aus.
Die Musik endete und Otis blieb mit Lady Smira an ihrer Seite stehen. »Wechsel, Prinz Tarkan?«, fragte er.
Die Männer verbeugten sich voreinander und tauschten die Tanzpartnerinnen.
»Alles in Ordnung? Du siehst ein wenig blass aus.«
»Er hat zugegeben, dass er für den Überfall auf mich verantwortlich ist.«
»Interessant«, erwiderte Otis.
»Seit wann weißt du es?«, zischte sie.
»Die Erkenntnis kam mir heute Nacht.«
»Und du hältst es nicht für nötig, mich zu warnen?«
»Nein, es ist viel aufschlussreicher, zu beobachten, was passiert. Mir ist noch nicht ersichtlich, wie er dich so zielsicher entdeckte, da der Besuch des Hafens von dir nicht geplant war. Hör auf, mich so giftig anzuschauen, Levarda. Du weißt nicht, wie anziehend du in diesen Momenten bist.« Er deutete mit den Lippen einen Kuss an.
Sie schnappte nach Luft. »Du meinst, für solche Männer wie dich und Prinz Tarkan!«
Er grinste boshaft. »Andere wären dir nicht gewachsen. Tanz noch eine Runde mit ihm, vielleicht erfahren wir mehr.«
»Du benutzt mich!« Es kostete sie Mühe, nicht laut zu sprechen.
»In Wahrheit bist du genauso abenteuerlustig wie ich. Es könnte uns einen Vorteil verschaffen. Denk nur an Agilus‘ Sicherheit, dann fällt es dir leichter.«
Die Musik endete und erneut wechselten sie ihre Tanzpartner.
»Euer Gemahl wusste, dass ich es war, habe ich recht?« Prinz Tarkan drehte sie in einer schnellen Bewegung, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich ihm mit dem Oberkörper zu nähern. Sie schwieg, doch das schien ihm als Antwort zu genügen.
»Er möchte wissen, wie ich auf Euch gestoßen bin?« Er blickte ihr forschend ins Gesicht. »Ihr wisst es. Warum erzählt Ihr es ihm nicht selbst?«
Verwirrt sah sie ihn an, runzelte die Stirn. Sein Appell an ihren Verstand verfehlte seine Wirkung nicht. »Ihr meint die Ware des Händlers?«
»Habt Ihr herausgefunden, worum es sich handelt?«
»Erzählt es mir.«
Er lachte. »Das müsst Ihr selbst herausfinden.«
Die Worte jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Er hatte sie beim Tanzen weder körperlich noch mit seiner seltsamen Energie bedrängt. Als ihr bewusst wurde, dass er die Macht hatte, sie von ihren Elementen abzutrennen, fing ihr Herz wild an zu klopfen.
Mit einem wissenden Lächeln in den Augen beobachtete er sie, als könne er das Wechselbad ihrer Gefühle erkennen. Ihr ging es wie einer Maus, die vor einer Eule in einen Gang flüchtete, nur um festzustellen, dass ein Fuchs darin lauerte.
Die Musik endete und die Musiker legten eine Pause ein.
Den restlichen Abend verbrachte Levarda nur so lange im Spannungsfeld zwischen Otis und Prinz Tarkan, wie es der Anstand erforderte, bevor sie in ihr Gemach flüchtete.
Lord Eduardo
N achdenklich starrte Levarda in die Dunkelheit, eine Dunkelheit, die ihr keine Angst machte. Sie hörte das Lied einer Nachtigall. Insekten summten und die Luft war vom Duft der Sommerblumen, die unter ihr im Garten blühten, erfüllt. Trotz der Wärme am Tag waren die Nächte kühl. Sie schloss das Fenster, blieb aber auf dem Fenstersims sitzen. Licht und Dunkelheit – sie gehörten zusammen. Je nach Jahreszeit gab es länger Licht oder länger Dunkelheit und dann gab es die Tage, wo sie sich die Zeit gerecht teilten.
Es ergab keinen Sinn, dass die Dunkelheit, die von Prinz Tarkan ausging, sich so bedrohlich anfühlte. Woher bezog sie ihre Energie?
Ihr Kopf begann zu schmerzen. Sie war erschöpft von den letzten Stunden, als sie ihren Schutzschild so dicht gewoben hatte, dass ihr jetzt jede Kraft fehlte. Sie konnte nicht einmal mehr ihren Körper warmhalten. Aber statt ins Bett zu gehen und sich unter der Decke zu wärmen, saß sie hier am Fenster und hing ihren Gedanken nach.
Sie suchte die Erinnerung daran, wie Otis in der einen Woche auf Burg Ikatuk gewesen war. Sie hatte ihn tief in sich eingelassen, seit sie sich als Mann und Frau verbunden hatten. Doch er gewährte ihr dasselbe bei sich nicht. Trotz aller Zärtlichkeit, die er ihr entgegenbrachte, hatte er sie nicht bei sich aufgenommen. Levarda spürte deutlich die Grenzen, die er zog, wann immer ihre Energie zu ihm floss.
Nach diesem Abend fragte sie sich, ob sie überhaupt noch in ihm sein wollte. Sie liebte ihn so sehr, dass er ihr mit seiner Abwesenheit körperliche Schmerzen bereitete. Sie hatte immer gedacht, dass sie sich vollkommen fühlte, doch jetzt, da sie wusste, wie es sich anfühlte, reichte sie sich selbst
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