Licht und Dunkelheit
dahin gekommen, dass sie Anlass für Feindseligkeiten bot? Wusste Lord Gregorius nicht, dass ihr Gemahl niemals seine Pflichten ihretwegen vergessen würde? Wie konnte er die Loyalität von Lord Otis in Zweifel ziehen? Nach all dem, was er für ihn getan hatte.
Levarda öffnete den Mund.
»Verzeiht hoher Lord, ich hatte bisher keine Gelegenheit mit meiner Frau zu tanzen.« Otis wartete weder die Antwort des hohen Lords noch Levardas Einwand ab und zog sie mit sich auf die Tanzfläche.
Obwohl sie ihm sein Verhalten nicht verziehen hatte, verstand sie, in welch schwierige Lage sie ihn mit dem Wortwechsel gebracht hatte. Ohne Protest ließ sie sich deshalb seine Behandlung gefallen. Sein Arm legte sich um ihre Taille, der Zorn verschwand aus seinem Gesicht. Sie spürte die Hitze seines Verlangens durch den Stoff ihres Kleides.
»Du bist heute unwiderstehlich«, raunte er ihr ins Ohr. Mit seinem Arm zog er sie dichter zu sich heran.
Ihr Puls beschleunigte sich, Energie breitete sich durch ihre Adern in einem warmen Strom aus, ließ ihre Beine weich werden. Das Licht in ihrem Innern drängte nach außen, ihrem Mann und Liebhaber entgegen. Sie musste sich konzentrieren, um dem Wunsch nicht nachzugeben und sich an seinen Körper zu schmiegen. Es ärgerte sie, dass er eine solche Wirkung auf sie ausübte und sie so mehr an sich fesselte, als es jede Eisenkette hätte tun können.
»Spar dir deine Schmeicheleien, du hast mich in meinem Turm eingesperrt«, zwang sie sich selbst, sich seinem Zauber zu entziehen und auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden.
Sein Blick wanderte zu Prinz Tarkan und Lady Smira hinüber. »Wo ich dich besser gelassen hätte.«
»Ihr seid euch so ähnlich«, rutschte es Levarda heraus. Sie wusste selbst nicht, woher der Gedanke kam.
Seine Miene verfinsterte sich. »Ich weiß. Wir beide wissen, was wir wollen, und zögern nicht, es uns zu holen. Außerdem standen wir uns in all den Jahren viel zu häufig als Feinde gegenüber.«
»Und das heißt?«
»Dass wir uns intensiv mit der Persönlichkeit des anderen beschäftigt haben. Verstehe deinen Feind, dann kannst du ihn besiegen. Du denkst wie er, fühlst wie er, und weißt, was er begehrt.«
Er sah ihr tief in die Augen mit einem eigenartigen, dunklen Glitzern. »Macht es dir Angst?«
Ein Schauer lief über ihren Körper. »Ja«, wisperte sie.
Er nickte zufrieden mit einem grimmigen Lächeln. »Perfekt. – Das sollte es auch.«
Bevor sie nachfragen konnte, was er meinte, hörte die Musik auf.
»Ich hoffe, Lord Otis, Ihr gewährt mir die Gunst des nächsten Tanzes mit Eurer Frau.«
Sie zuckte zusammen.
»Sofern Ihr Euren Abstand wahrt, Prinz Tarkan«, erwiderte Otis kalt. Er verbeugte sich vor dem Prinzen, anschließend vor Levarda. Keiner von beiden hatte sie gefragt. Steif stand sie vor Prinz Tarkan.
»Entspannt Euch, Lady Levarda, ich habe nicht vor, mich auf einem Fest mit Eurem Mann anzulegen. Ich weiß aus vielen Kämpfen mit ihm, dass er mir an Schnelligkeit und Gewandtheit überlegen ist.«
Sie lockerte ihre Haltung, sah an ihm vorbei und schwieg. Er betrachtete belustigt ihre zusammengepressten Lippen.
»Ihr solltet vorsichtig mit solchen trotzigen Reaktionen sein. Ihr erhöht damit bei Männern wie mir und Lord Otis nur Euren Reiz.«
Sie reagierte nicht und schwieg weiter.
»Ihr habt mich bei meinem letzten Besuch mit Euren Fähigkeiten hinters Licht geführt. Doch schon damals habt Ihr eine ungewöhnliche Anziehung auf mich ausgeübt.«
Er würde sie nicht zum Sprechen bekommen.
»Es hätte mich stutzig machen müssen, wie Euch Lord Otis überwacht hat – als wäret Ihr ein kostbarer Diamant.«
»Wohl eher wie eine Gefangene«, rutschte es Levarda heraus und er lächelte zufrieden.
»Bei Männern wie uns gibt es da manchmal keinen Unterschied.«
Sie presste die Lippen aufeinander und schalt sich dafür, dass sie in seine Falle getappt war.
»Gestern habe ich Euch ein zweites Mal unterschätzt. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr so wehrhaft seid ohne Eure Kräfte.«
Diesmal hatte er ihre volle Aufmerksamkeit. Sie musterte ihn, sandte vorsichtig ihre anderen Sinne aus.
»Jetzt«, flüsterte er mit einer samtig dunklen Stimme.
Sie wollte sich von ihm losreißen und ihm eine Ohrfeige verpassen, aber er hielt sie fest in seinen Händen.
»Beruhigt Euch, sonst könnte Euer Mann auf die Idee kommen, ich wäre Euch zu nahe getreten. Ihr wollt doch nicht schuld sein an dem Tod der hier Anwesenden.«
Sie atmete
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