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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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wollte, erntete sie einen kurzen tadelnden Blick von Levarda. Sofort ließ die Stute von ihrer Absicht ab.
    Mit beiden Händen tastete Levarda das geschwollene Gelenk von Gerolims Hand ab. Die Schwellung kam von einer Entzündung. Mit gerunzelter Stirn konzentrierte sie sich auf das Gelenk. Ein kleiner Knochen im Handgelenk ließ einen Riss erkennen.
    »Wartet, ich mache Euch einen kühlenden Verband.« Sie holte aus ihrer Satteltasche einen Verband und einige Blätter einer Pflanze, die entzündungshemmend wirkte, ging zum Bach und tränkte beides mit kaltem Wasser.
    Ein schrilles Wiehern ließ sie herumfahren.
    Sita hatte die Gelegenheit genutzt. Mit einem Biss ins Ohr des anderen Pferdes und einem gezielten Tritt hatte sie sich aus Gerolims Griff befreit und fegte mit wilden Bocksprüngen zwischen den grasenden Pferden umher.
    Levarda schüttelte resigniert den Kopf. Die ganze Reise über hatte sich der Frust in ihrer Stute angestaut. Sie war eine Leitstute durch und durch, was es ihr schwermachte, in der Herde hinter den anderen zu bleiben. Der Tross war für sie eine Herde, und obwohl sie heute hatte vorne gehen dürfen, vielleicht sogar aus diesem Grund, musste sich ihr Unmut wohl jetzt Raum verschaffen.
    Bevor ihre Stute den Trupp auseinandernehmen konnte – und sie wusste, dass Sita da nicht zu unterschätzen war –, pfiff Levarda scharf durch die Zähne.
    Immer noch bockend, den Kopf kreisend und auskeilend, kam Sita zu ihr. Levarda tadelte sie auf Mintranisch für ihr Benehmen und spendete ihr Verständnis für ihren Frust. Aber erst, als sie ihr mehrmals beteuert hatte, dass sie das beste und klügste Pferd von allen sei, ließ sich das Tier beruhigen.
    Levarda legte ihr den Zügel um den Hals. Ohne die Stute weiter zu beachten, ging sie zurück zu Gerolim, dessen Gesicht feuerrot angelaufen war. Seine Kameraden sammelten ihre Pferde zusammen und er konnte sich ihre ärgerlichen oder spöttischen Bemerkungen anhören.
    Sita trottete brav an Levardas Schulter hinter ihr her. Die Männer machten ihnen Platz. So blieb sie vor Gerolim stehen, Sita hinter sich.
    Erst legte sie die Blätter um sein Handgelenk herum. Mit festem Zug umwickelte sie das Gelenk und stabilisierte die Hand, indem sie den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger wickelte. Zuletzt gab sie vor, mit den Fingern ihr Werk zu betasten, sandte dabei in Wirklichkeit ihre heilende Energie in die Fissur am Knochen.
    »Besser so?« Fragend sah sie Gerolim an.
    Der betrachtete verblüfft sein umwickeltes Handgelenk. »Ja, Mylady, viel besser.« Er lächelte breit. »Hätte ich gewusst, dass Ihr so etwas könnt, ich wäre direkt zu Euch gekommen.«
    Sie nickte. »Geht jetzt und ruht Euch aus. Ich werde die Pferde halten.«
    Verlegenheit überzog Gerolims Züge. »Verzeiht, dass mir Eure Stute entwischt ist.«
    Sie lachte laut auf, gab Gerolim einen freundschaftlichen Fausthieb auf den gesunden Arm. »Keine Sorge, das ist schon ganz anderen Männern mit Sita passiert.«
    Gerolim gab ihr sein Pferd und Levarda zog mit den beiden Tieren auf ein anderes Stück der Wiese, wo sie Klee entdeckt hatte. Er war sehr reichhaltig und würde den beiden Kraft geben. Wohlweislich nahm sie Sita nicht mehr am Zügel, sondern ließ sie frei grasen. Sollten die Männer denken, was sie wollten.
     
    Lemar gab das Zeichen zum Aufsitzen.
    Nachdem Levarda zu ihm aufgeschlossen war, sah dieser ihre Stute nachdenklich an. »Es wird nicht leicht werden, Euer Pferd in die Herde zu integrieren.«
    »Lasst sie vorn laufen und sie wird keinen Ärger machen.«
    »Mag sein, aber wer kann sie reiten?«
    Die Worte versetzten Levarda einen Stich. Sie fühlte, wie sich ihr Hals verengte, und schluckte. Tränen traten in ihre Augen. Die Vorstellung, dass ein anderer Reiter auf Sita sitzen würde, tat ihr weh. Als sie bemerkte, wie Lemar sie aufmerksam beobachtete, riss sie sich zusammen.
     
    Erst am frühen Abend erreichten sie das Lager, trotz des strengen Tempos. Selbst Sita schien froh über das Ende des Rittes.
    Lord Otis hatte wie immer eine ausgezeichnete Wahl für den Lagerplatz getroffen. Das Zelt der Frauen befand sich an einer Felswand, die steil aufragte und so dieser Seite des Lagers Schutz bot. Nicht weit davon, mit einem Gang aus Tüchern vor neugierigen Blicken verborgen, stand das kleine Zelt, in dem die Frauen ihre Notdurft verrichten konnten. An der anderen Seite, durch Bäume und Buschwerk hindurch eben noch sichtbar, lag ein See. An den beiden verbleibenden Seiten

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