Licht und Dunkelheit
ihr ein. Seine Lippen umspielte ein Lächeln.
Sie ritten den ganzen Tag, mit einer kurzen Pause, um die Pferde vor den Wagen auszutauschen. Levarda sah in dieser Zeit nach Lady Smira. Sie traf die zukünftige hohe Gemahlin müde, verdreckt, verheult und völlig aufgelöst an. Es tat ihr leid, das Mädchen in diesem Zustand zu sehen. Sie rührte ein Getränk an, das sie ihr gab.
»Keine Angst, wir sind bald da, dann finden wir einen Platz, wo wir alles wieder in Ordnung bringen können«, sprach sie ihr Mut zu. Lady Smira nickte, doch in ihren Augen bemerkte Levarda, dass die Vorkommnisse deutliche Spuren hinterlassen hatten.
Nachdem sich der Tross erneut in Bewegung gesetzt hatte, tauchte ein Reiter bei ihr auf. »Ihr sollt mit mir nach vorn kommen, Lord Otis möchte Euch sprechen.«
Sie prüfte das Befinden von Sendad, bevor sie mit Sita ausscherte und dem Soldaten folgte.
Endlich durfte die Stute an die Spitze aufschließen. Levarda spürte die Ungeduld des Tieres, das die Ohren anlegte, mit dem Schweif schlug und buckelte.
»Macht es Euch etwas aus, wenn wir das Tempo erhöhen?«, fragte sie. Der Mann sah sie überrascht an, schüttelte aber den Kopf. Also beugte sie sich vor und ließ Sita laufen. Der Wind fegte durch ihr Haar, der Körper des Tieres unter ihr streckte sich lang, sie konnte die Freiheit geradezu spüren. Viel zu schnell tauchte die Spitze des Trosses auf. Sie parierte Sita durch. Der wilde Ritt hatte ihre Lebensgeister geweckt.
Lord Otis warf ihr einen missbilligenden Blick zu. »Ihr solltet die Kräfte Eures Tieres schonen.«
Sie ignorierte die Bemerkung. »Ihr wolltet mich sprechen, Mylord?«
Der Reiter, der sie geholt hatte, tauchte auf. Er verbeugte sich entschuldigend vor seinem Anführer, aber dieser nickte nur kurz. »Reiht Euch ein und haltet Abstand.«
Schweigend ritten sie weiter. Levarda fragte sich verwundert, was er von ihr wollte.
Endlich begann er zu sprechen. »Egris sagt, dass Ihr die Männer an der Kutsche vor dem Angriff aus den Bäumen gewarnt hättet, stimmt das?«
Levarda zögerte mit ihrer Antwort. »Ja?«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Habt Ihr das oder habt Ihr das nicht?«
»Ja, das habe ich.«
»Wie habt Ihr das gemacht?«
Jetzt wusste sie, worauf das Ganze hinauslief. Sie hätte mit Nein antworten sollen, aber dann wäre womöglich Egris in Schwierigkeiten geraten, und sie wollte nicht noch einmal Anlass für eine Bestrafung sein. Sie brauchte schließlich nicht alles preiszugeben. »Nehmen wir an, Ihr müsstet im Dunkeln durch einen Wald gehen, ohne dass Ihr etwas sehen könnt, wie ginget Ihr vor?«
»Ich würde meine Hände ausstrecken und tasten.«
»So ähnlich funktioniert die Sache bei mir auch, nur, dass ich dafür keine Hände benötige.«
Wieder dieser Blick aus zusammengekniffenen Augen.
»Ihr sendet Eure Energie aus?«
»Ja«, sagte sie nur, und es war keine Lüge, aber auch nicht die volle Wahrheit. Sollte er ruhig glauben, dass sie Energie dafür brauchte.
»Auf welche Entfernung funktioniert das bei Euch?«
»Ich weiß nicht.«
Er sah sie an, und Levarda spürte die Röte in ihren Kopf steigen. Sie vermochte es einfach nicht, zu lügen.
»Wie weit?«
»Ein paar Decads«, wich sie ein zweites Mal aus.
»Fünf, zehn oder mehr?« Er gehörte nicht zu den Männern, die lockerließen.
»Vielleicht zehn.«
»Ausgezeichnet, das reicht«, sagte er mit Nachdruck und fügte wie zur Erklärung hinzu: »Ich denke, dass wir verfolgt werden.«
Levarda schauderte bei dem Gedanken an den Kampf.
»Ich möchte, dass Ihr mit Lemar und zehn seiner besten Reiter zurückreitet und feststellt, wie viele uns verfolgen. Die Distanz, mit der Ihr arbeiten könnt, müsste Euch einen ausreichenden Spielraum geben, um den Vorsprung halten und uns warnen zu können.«
Er machte eine winzige Pause, um sie zu mustern. »Denkt Ihr, Eure Stute schafft das?«
Levarda durchschaute die Frage. Er meinte nicht nur ihr Pferd. Körperlich gab es für sie bei der Durchführung seines Plans kein Problem. Ihre Gefühle, der gewaltsame Tod und dessen Aura, das alles bereitete ihr Kopfzerbrechen. Nie wieder wollte sie einen Menschen töten müssen. Sie sah vor ihren Augen den Ausdruck von Angst und Verzweiflung in dem Gesicht ihrer Cousine. Wenigstens hatte sie die Möglichkeit, den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
»So sei es.«
»Halt«, hielt er sie zurück, »benötigt Ihr noch etwas?«
Verwirrt sah sie ihn an.
Sein Blick verriet ihr, was er meinte.
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