Licht und Dunkelheit
öffnete sich der Platz auf reichhaltige Wiesen, wo bereits Pferde grasten. Jeweils an einem eigenen Pflock befestigt, hatte ein jedes von ihnen genügend Fläche, um sich den Bauch mit frischem Gras vollzuschlagen.
Zuerst versorgte Levarda ihre Stute, dann suchte sie nach Sendads Zelt. Sie entdeckte es nahe den Bäumen, wo es vor der Sonne geschützt stand. Dem Mann vor dem Eingang kurz zunickend, betrat sie es.
Der verletzte Offizier schlief friedlich. Sein Brustkorb hob und senkte sich mit regelmäßigen Atemzügen. Sie trat neben ihn, legte ihre Hand an seine Stirn und stellte verblüfft fest, dass seine Temperatur normal war. Der Heilungsprozess verlief erstaunlich schnell, vor allem angesichts der Schwere seiner Verwundung.
Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, zog sie die Decke zurück, damit sie ihre Hand auf die Wunde legen konnte.
Blitzschnell und mit überraschend festem Griff packte er ihr Handgelenk und zog sie zu sich herab. An ihrem Hals spürte sie die Spitze eines Dolches. Levarda verharrte kurz und bemerkte trocken: »Mir scheint, Ihr befindet Euch auf dem Weg der Besserung.«
Sofort ließ Sendad sie los, als er erkannte, wen er vor sich hatte. »Verzeiht – es war ein Reflex.«
»Ein sehr guter, wie ich bemerken darf.« Sie massierte ihr Handgelenk.
Er grinste. »Ich bin ein Krieger.«
Sie suchte seinen Blick. Sein Gesicht, im Schlaf so entspannt, wirkte konzentriert, die blauen Augen glitzerten erregt, und Levarda ging ein Schauer durch den Körper. Ja, die Männer der Garde waren gefährlich. Traurig sah sie ihn an.
»Ich weiß. Darf ich mir Eure Wunde anschauen?«
Er sah an sich herunter, bemerkte die herabgezogene Decke und zog sie sich hastig bis zum Hals.
Levarda unterdrückte ein Grinsen über seine Schüchternheit. »Ich dachte, Ihr wäret ein Krieger. Ihr habt doch keine Angst vor einer Frau?«
»Und diese Frau sollte nicht allein das Zelt eines Offiziers betreten«, klang eine kühle Stimme hinter ihr.
Lord Otis stand im Eingang. Wortlos richtete Levarda sich auf und trat einen Schritt von Sendads Lagerstätte zurück. Ebenso kalt erwiderte sie: »Ich hatte nicht vor, ihm zu schaden. Ich wollte mich um seine Wunde kümmern.«
»Dennoch hättet Ihr erst zu mir kommen und Euch die Erlaubnis einholen müssen. Abgesehen von Eurer zunehmend selbstständigen Art zu handeln, die sich für eine Lady nicht ziemt, könnte ein solches Verhalten von meinen Männern falsch verstanden werden. Euch ist hoffentlich klar, dass eine Lady mit zweifelhaftem Ruf in keinem Fall ein Mitglied am Hofe des hohen Lords werden kann.«
Levarda lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge. Hatte nicht ihr selbstständiges Handeln Sendads Leben gerettet? Und war nicht Lord Otis selbst es gewesen, der sie mit Lemar auf Kundschaft geschickt hatte? Was ging in diesem Kerl vor? Meinte er, sie herumschubsen zu können, wie es ihm beliebte? Mal war sie würdig genug, ihren Mann zu stehen, mal war sie eine einfache Frau ohne Rechte? Seinetwegen hatte sie einen weiteren Menschen auf dem Gewissen. – Aber sie presste nur stumm die Lippen zusammen, senkte den Kopf und die Augen. Eine Weile verharrte sie so auf der Stelle.
Sie konnte spüren, wie er sich an seiner Überlegenheit labte. Mühselig schluckte sie Zorn und Stolz herunter. Wenn er glaubte, er könne sie demütigen, konnte er lange warten!
Die Stille zog sich fast schmerzhaft hin. Er wartete auf ein Wort von ihr, aber sie blieb stumm.
Schließlich sprach er als Erster. »Ihr könnt gehen. Lady Smira erwartet Euch.« Er trat einen Schritt beiseite und machte den Eingang frei.
In langsamen, würdevollen Schritten durchmaß sie das Zelt. Als sie auf einer Höhe waren, konnte sie die Wärme seiner Aura spüren, und für einen kurzen Augenblick schwanden ihr fast die Sinne.
»Halt!«, gebot er.
Sie zog ihren Schutzschild hoch, schirmte sich vor seiner Energie ab. Aber er öffnete nur die Hand. »Gebt mir etwas von diesen Blättern, ich sorge dafür, dass jemand den Verband wechselt.«
Levarda entnahm ihrer Tasche die Pflanze, drückte sie Lord Otis in die Hand, darauf bedacht, ihn nicht zu berühren.
»Das sind Moose, keine Blätter.« Mit erhobenem Kopf verließ sie das Zelt.
Feinde
I m Zelt der Frauen kniete Levarda eine Stunde lang vor Lady Smira. Ihr für eine Frau ungebührliches Benehmen erforderte offenbar diese Strafe. Wie absurd die Situation war! Erst rettete sie dem einfältigen Mädchen und vielen Männern das Leben, dann musste sie sich
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