Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
Vom Netzwerk:
wenig irgendwelche Gefühle für sie, wie sie für ihn. Er war gefährlich, viel gefährlicher, als sie es bisher angenommen hatte. Grausam, herrisch, blutrünstig, so würde sie noch viele Ausdrücke für ihn finden. Sie schüttelte den Kopf.
    »Du vergisst eine Kleinigkeit«, stellte sie kalt fest. Adrijana sah von ihrer Handarbeit hoch.
    »Wenn Lady Smira bis zum nächsten Jahr nicht schwanger wird, tötet er auch mich. Meinst du nicht, das wäre bezüglich deiner Idee ein wenig hinderlich?«
    Die Magd schüttelte den Kopf. »Nein, er wird Euch nicht töten. Er findet eine Lösung.«
    »Tatsächlich? Dann hat er nur noch ein Problem.«
    Überrascht und verwirrt musterte das Mädchen sie. Anscheinend konnte Adrijana sich nicht vorstellen, dass es ein Problem geben sollte, das ihr Herr nicht lösen würde. Ihr absolutes Vertrauen in die Allmacht von Lord Otis ließ in Levarda Trotz aufwallen.
    Sie lehnte sich im Sessel zurück. »Dass ich nicht die Absicht habe, ihn zu heiraten.«
    Adrijana lachte ungehemmt los und schüttelte den Kopf. »Das ist kein Problem für ihn. Ihr habt kein Mitspracherecht bei dieser Entscheidung.« Sie holte tief Luft, rang nach Atem. »Aber keine Sorge«, beschwichtigte sie Levarda, die verdattert dreinsah, »spätestens nach der Hochzeitsnacht werdet Ihr Eure Meinung von ihm ändern, da bin ich sicher.«
    »Du musst es wohl wissen«, stellte Levarda kühl fest, »aber auch, wenn du ebenfalls mit ihm das Bett geteilt hast«, fügte sie hinzu, »sollst du wissen, dass ich –«, das letzte Wort mit Nachdruck betonend, machte sie eine bedeutungsschwere Pause, »gewiss nicht seine Gemahlin werde. Eher sterbe ich.«
    Adrijana zuckte ein wenig zusammen und schwieg. Ob es an ihren Worten lag oder daran, dass sie sich mit der Nadel in den Finger gestochen hatte, war Levarda egal. Es hatte keinen Zweck, mit der Magd zu streiten oder ihr zu erklären, dass sie es nicht nötig hatte, das Bett mit ihrem Herrn zu teilen. Sie seufzte tief. Auf was hatte sie sich nur eingelassen?
     
    Sie stand auf, unschlüssig, was sie mit diesem Tag, eingesperrt in einem Raum, anfangen sollte. Ihr Blick wanderte herum und blieb an den Kleiderkisten hängen. Sie hockte sich vor der Kiste nieder, in der sich die Kleider aus Mintra befanden. Wie kamen sie auf diese Burg? Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Seine Großmutter! Larisan, Meisterin des Feuers, Schreiberin des Buches der Kriegskunst, die irgendwann aus Mintra verschwunden war.
    Ihr Herz klopfte heftig. Tausendmal hatte sie sich gefragt, aus welchen Beweggründen Larisan Mintra verlassen hatte. Niemand in ihrem Land sprach von den Menschen, die eines Nachts aufbrachen und Mintra verließen. Levarda begann, die Kleider aus der Kiste zu holen, Nachtwäsche, Unterkleidung. Bei jedem Stück strichen ihre Hände sanft über den Stoff. Und jedes Stück erwiderte ihre Berührung mit einem leisen Knistern. Enttäuscht starrte sie schließlich auf den leeren Boden. Nichts von Bedeutung, nur Kleider. Prüfend warf sie einen Blick über die Fugen und Wände. Ihre Hände strichen den mit Samt ausgeschlagenen Boden entlang, suchten nach Unebenheiten, bis ihre Finger eine kleine Ausbuchtung ertasteten, die sich als winziger Hebel entpuppte. Sie zog daran, aber nichts geschah. Vermutlich war er verklemmt. Sie holte ihr Messer. Verfolgt von den wachsamen Blicken der Magd schob sie es unter den Hebel, drückte es vorsichtig hoch, und der Boden sprang auf.
    Eilig hockte sich die Dienerin zu ihr und Levarda verfluchte ihre eigene Ungeduld. Sie hätte warten sollen, bis sie allein war. Aber würde sie überhaupt jemals wieder allein sein? Sie musste einfach nachschauen, hob den Boden hoch, und ihre Augen bekamen einen ehrfürchtigen Glanz. Drei Bücher lagen in dem Fach. Andächtig holte sie eines davon heraus.
    »Ist das alles?«, fragte Adrijana enttäuscht. »Kein Schmuck, keine Edelsteine, kein Gold?« Sie verlor im selben Moment das Interesse und kehrte flugs ans Fenster zurück.
    Levarda pustete vorsichtig den Staub von dem Buch, das sie in ihren Händen hielt, löste das Band darum und schlug die erste Seite auf. In der feinen, ihr wohlbekannten verschnörkelten Schrift stand da: »Mein Leben auf Burg Ikatuk«. Levarda sog scharf die Luft ein.

Larisan
    A lle drei Bücher lagen vor Levarda auf dem Schreibtisch, jeder Band eingebunden in feingegerbtes, hellbraunes Leder, äußerlich schlicht und voll Leben im Inneren. An vielen Stellen sah sie dunkle Spuren von

Weitere Kostenlose Bücher