Licht und Dunkelheit
was sie war und sein sollte, aufgegeben hatte. Denn noch heute sprachen die Mintraner mit Achtung von ihr und ihrem Talent für das Feuer. Sie war mächtig gewesen, konnte mit dem Feuerelement spielen wie niemand vor ihr. Aber sie war auch ein Mensch des Feuers, temperamentvoll und voller Leidenschaft.
Levarda ließ ohne Einwand ihre Haare bürsten, ölen und flechten. Als Adrijana sich daranmachte, ihr Gesicht einzufärben, wich sie zurück.
»Lass das. Ich mag es nicht, wenn ich mein Gesicht im Spiegel nicht mehr erkenne.«
»Aber Ihr habt eine so schöne Augenform, wenn ich sie ein wenig mit einem schwarzen Strich betone.« Levarda hielt die Hand des Mädchens fest, in deren Fingern ein Stift lag.
»Ich sagte nein!«
Bei dem scharfen Klang ihrer Stimme fügte sich die Magd, allerdings nicht ohne schmollend die Unterlippe vorzuschieben. Levarda ließ sich von ihr anziehen, völlig in Gedanken versunken.
»So, jetzt seht Ihr hübsch aus«, stellte Adrijana selbstzufrieden fest.
»Danke«, erwiderte Levarda, ohne auch nur einen Blick in den Spiegel zu werfen.
Beleidigt folgte ihr die Dienerin in den Flur.
Am Treppenabsatz, der in die Halle führte, trafen sie auf Lady Smira, die dort bereits mit Rika wartete. Die Magd riss die Augen auf, als sie Levarda sah, was ein zufriedenes Grinsen in Adrijanas Gesicht zauberte.
Während die Dienerinnen vorausgingen, beugte sich ihre Cousine zu ihr. »Wie verhalten wir uns jetzt?«, flüsterte sie ihr fragend ins Ohr. »Ich habe noch nie allein mit unverheirateten Männern zu Abend gegessen.«
Levarda starrte sie verständnislos an.
»Was reden wir? Soll ich die ganze Zeit die Augen gesenkt halten? Ohne den Schleier anzuheben, kann ich nichts essen!«
»Gibt es dafür keine Regeln?«
Lady Smira schüttelte den Kopf. »Nein. Normalerweise kommen unverheiratete Frauen nicht in solche Situationen.«
»Nun, ich denke Lord Otis und seine Offiziere machen das nicht zum ersten Mal. Vertraut einfach auf die Führung des Mannes, so haltet Ihr es doch in Eurem Leben«, erklärte sie ungewohnt spitz, ihre eigenen Gefühle und Gedanken noch völlig durcheinander von der Geschichte. Trotz und Zorn aus den Aufzeichnungen von Larisan drangen wie Funken in ihr Gemüt und entfachten ein Feuer.
»Beleidigt Ihr mich?«, schnappte Lady Smira zurück.
Am liebsten hätte Levarda die Frau gepackt und kräftig geschüttelt. Ihr innerer Aufruhr machte ihr selbst Angst. Versöhnlicher, als sie sich in Wahrheit fühlte, antwortete sie ihr: »Nein, ich denke nur, dass Ihr nicht viel falsch machen könnt. Schließlich sind wir hier allein und niemand wird ein Wort darüber verlieren, wenn Ihr einen Fehler in der Etikette macht – die ja, wie Ihr selbst sagtet, für dieses Ereignis sowieso nicht existiert.«
Lady Smira schwieg, und Levarda konnte gleichsam hören, wie sie über ihre Worte nachdachte.
Sie erreichten die verzierten hohen Türen in der Halle. Zwei Diener öffneten die Flügel, und gemeinsam schritten sie in einen Flur, von dem weitere Eingänge abzweigten. Am Ende des Ganges öffnete sich eine Tür, und sie traten in Begleitung der Dienerinnen ein.
Ein reichhaltig gedeckter Tisch stand in der Mitte des Raumes. Die Männer waren bereits anwesend, in ihre offiziellen Uniformen gekleidet: schwarze Stiefel bis über die Wade, weiße, enganliegende Hosen, dunkelblaue Uniformjacken mit den unterschiedlichen Emblemen. Sie standen am Kamin, jeder mit einem Glas Wein, und unterhielten sich leise. Während Lady Smira, von der ungewohnten Situation eingeschüchtert, ihren Kopf demutsvoll gesenkt hielt, machte Levarda dasselbe aus purem Selbstschutz, obwohl es ihr ungewollt schwerfiel. Sie hatte ihre Gefühlswelt noch nicht unter Kontrolle und befürchtete, dass einer der Männer das in ihrem Gesicht lesen konnte.
Allein an den Schritten hörte sie, wie sich Lord Otis aus der Gruppe löste und auf Lady Smira zuging. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er ihre Hand nahm, sie bis kurz vor seine Lippen führte und losließ.
»Es ist mir eine Freude, Euch heute Abend als mein Gast begrüßen zu dürfen. Habt Ihr alles erhalten, was Ihr brauchtet?«
Vor Verlegenheit stammelnd hauchte ihre Cousine: »Ja, Ihr seid sehr großzügig zu mir, Lord Otis.«
Er lächelte ihr ermutigend zu. »Ihr dürft mich ruhig ansehen, Lady Smira. Ich weiß, es ist für Euch ungewöhnlich, in der Gesellschaft von fremden Männern zu essen.«
Ein heißer Energiestrom schwappte zu Levarda herüber und ließ
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