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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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hätte die Erde betreten.
    Lady Smiras Kleid funkelte und glitzerte in der aufgehenden Sonne. Das Oberteil war so eng geschnürt, dass Levarda den Eindruck hatte, sie könnte mit ihren Händen die Taille ihrer Cousine umfassen. Es war reich mit Perlen und Edelsteinen bestickt. Unterhalb der Taille weitete sich das Kleid. Vorn reichte es bis knapp über den Boden, und bestickte Schuhe blitzten darunter hervor. Hinten besaß es eine lange, aufwendige Schleppe, ebenfalls reichlich mit Perlen und Edelsteinen bestickt. Im Zentrum der Schleppe leuchtete, aus goldenen Fäden gestickt, eine Sonne. Levarda konnte sich nicht erinnern, das Kleid von Lady Smira vorgeführt bekommen zu haben. Die Haltung der zukünftigen hohen Gemahlin war würdevoll. Hoch aufgerichtet reckte sie stolz ihren Kopf in die Höhe, ihr goldenes Haar kunstvoll hochgesteckt, rundherum voller eingeflochtener Perlen. Ihre schmale Statur wurde durch den Schnitt des Kleides noch betont, und obwohl sie den Schleier vor ihrem Gesicht trug, konnte man die Gleichmäßigkeit ihrer Gesichtszüge erkennen.
    Langsam stieg Lady Smira die Treppe hinunter. Melisana und Lina trugen ihre Schleppe. Der Umhang war aus hauchfeinem, silbernen Tuch. In ihrem Haar steckte ein Goldreif, von dem eine weiße Perle ihr vorn in die Stirn hing.
    Bernar öffnete die Tür der Kutsche, Lady Smira stieg ein, die beiden Dienerinnen falteten die Schleppe kunstvoll zusammen und drapierten sie auf dem gegenüberliegenden Sitz. Für Levarda blieb in der Kutsche nicht mehr viel Platz.
    »Verzeiht, Mylady«, Melisana senkte den Blick vor Levarda, die ihren Fuß bereits auf dem Tritt stehen hatte. »Lady Smira möchte, dass Ihr in unserer Kutsche mitfahrt.«
    Überrascht sah Levarda zu ihrer Cousine hinüber. Sendads ausdrücklicher Befehl hatte gelautet, dass sie in der Kutsche mit der zukünftigen hohen Gemahlin fahren sollte. Diese sah jetzt starr geradeaus und verzog keine Miene. Ein glattes, weißes Gesicht aus Marmor schimmerte durch den Schleier.
    »Wie Ihr wünscht, Lady Smira.«
    Levarda zuckte die Schultern, ihr sollte es recht sein, wenn sie mit den Dienerinnen fahren konnte. Der Gedanke an die Aufmerksamkeit, die sie bei der Fahrt und vor allem bei der Ankunft mit Lady Smira unweigerlich auf sich ziehen würde, hatte ihr ohnehin Unbehagen bereitet. Sendad an der Spitze seiner Leute war damit beschäftigt, den Tross zu sortieren und Befehle zu bellen. Levarda schloss die Tür der Kutsche und ging mit Melisana zu der anderen hinüber, in der bereits Adrijana und Lina saßen.
     
    Im Nachhinein freute sich Levarda. Die Fahrt mit den Dienerinnen war kurzweilig. Die drei Mägde plauderten über die Soldaten, das Essen und über Rika. Lina erzählte Anekdoten von ihrem kleinen Bruder, den sie großgezogen hatte. Seine Streiche erinnerten Levarda an ihre Kindheit. Die Mädchen benahmen sich völlig ungezwungen in ihrer Gegenwart. Lina bewunderte Adrijanas Locken. Obwohl das Brandmal in ihrem Gesicht noch sichtbar war, verunstaltete es das Mädchen nicht mehr. Adrijana strahlte von innen heraus über die neue Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde. Manchmal schob sie ihre Hand in die von Levarda, die sie sanft drückte.
    Als Levarda morgens mit Kopfschmerzen aufgewacht war, hatte Adrijana auf ihrem Bett gesessen. Seitdem wich sie ihr nicht mehr von der Seite. Zwischen ihnen bestand ein Band aus geteiltem Leid und Wissen.
    Der Gedanke, dass Adrijanas Leben in ihren Händen lag, lastete als schwere Bürde auf Levardas Schultern. Insgeheim glaubte sie, dass genau dies der Grund war, weshalb Lord Otis so entschieden hatte.
    Lord Otis – allein sein Name weckte ihren Unmut. Das Licht, das einst in ihrem Innern geleuchtet hatte, war verschwunden. Die Naivität ihres Vertrauens in seinen Schwur ärgerte sie. Vor allem, da er es gewagt hatte, ausgerechnet ihr ein Mittel in den Wein zu mischen.
    Bernar würdigte sie seit diesem Abend keines Blickes. Hatte nicht er ihr den Wein gegeben? Ein Zwinkern von ihm hätte gereicht, doch seine Loyalität galt nur seinem Herrn – ein weiteres Gesprächsthema in der Kutsche, denn nicht nur Levarda war die Treue des Dienstpersonals zu ihrem Herrn aufgefallen. Wie die Soldaten ihm überallhin folgten, so las sein Personal ihm jeden Wunsch von den Augen ab.
    Von Lina danach gefragt, erging sich Adrijana in einer langen Lobeshymne über die guten Taten ihres Herrn. Es schien keinen einzigen Menschen in seinem Haushalt zu geben, den er nicht aus einer misslichen

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