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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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lasse.«
    »Wortklauberei.«
    »Nein. Entweder Ihr sagt mir, was passiert ist, damit ich Sorge dafür tragen kann, dass so etwas nicht noch einmal geschieht, oder Ihr packt Eure Sachen und verschwindet.« Er machte eine Pause. »Wohin auch immer.«
    Tränen stiegen in Levardas Augen. Sie wollte sich nicht mehr an das erinnern, was sie gesehen und gefühlt hatte. Schon gar nicht wollte sie mit einem Mann darüber reden. Aber welche Wahl blieb ihr? Sie wischte sich die Tränen von den Wangen, hielt inne, fragte sich, ob er dafür empfänglich wäre. Manchmal machten die Tränen einer Frau einen Mann weich. Sie wagte einen winzigen Blick. Es beeindruckte ihn nicht im Geringsten.
    Sie fragte sich, wie viele Frauen ihn auf Knien um Gnade angefleht hatten. Sein Herz musste aus Stein sein! Dann schoss ihr ein entsetzlicher Gedanke durch den Kopf.
    »Was habt Ihr mit Adrijana gemacht?«, flüsterte sie.
    »Eingesperrt.«
    »Lasst sie sofort raus, sie kann nichts dafür.«
    Seine Augenbrauen schnellten in die Höhe. »Werdet Ihr jetzt wütend?«
    Sie atmete tief ein und aus. Langsam drehte sie sich im Sessel, hob die Füße an und faltete die Beine neben ihrem Körper. Sie schmiegte ihre Wange an den weichen Stoff des Stuhls. Ihre Haare bedeckten die ihm zugewandte Seite ihres Gesichts, sodass sie das Gefühl hatte, allein zu sein. Sie sah in das Feuer und beobachtete das Spiel der Flammen.
    »Es war allein meine Schuld«, fing sie leise an zu erzählen. »Ich hörte, wie Rika Adrijana wegen ihres Brandmals verhöhnte. Es tat mir leid, weil ich Adrijana mag. Ich bot ihr an, ihr zu helfen. Ich wusste nicht, was mich erwartete.« Sie brach ab, nippte an dem Wein. »Als sie mir erzählte, dass die Narbe schon sehr alt sei, gab ich ihr ein Beruhigungsmittel. Je weiter etwas zurückliegt, desto tiefer ist es in uns verborgen und desto größer kann der Widerstand sein, wenn man es heilen möchte. Ich verband mich mit ihr und sah, was damals mit ihr geschehen ist.« Tränen suchten sich ihren Weg über ihr Gesicht.
    »Was ist geschehen?« Seine Stimme drang wie durch Watte in ihr Bewusstsein.
    »Das kann ich nicht erzählen.«
    »Ihr müsst es, ich will alles wissen.«
    Levarda suchte nach ihrem Widerstand, doch sie fand keinen mehr in sich. »Eines Abends kam Adrijana nach Hause, ihr Vater wartete auf sie. Er dachte, sie hätte dem Nachbarn schöne Augen gemacht. Er packte sie, warf sie zu Boden –«, sie brach ab. Der Schmerz rann erneut durch ihren Körper, schüttelte sie. »Immer wieder drang er in sie ein. In ihrer Not warf sie sich in die Flammen. Sie wollte lieber sterben, als das zu ertragen. Das Haus fing Feuer, jemand kam herein und muss sie wohl gerettet haben.« Sie zuckte mit den Achseln.
    »Darum ging es?« Er reichte ihr ein Taschentuch.
    Sie schnäuzte sich, begann sich zu fangen.
    »Er starb in den Flammen«, hörte sie ihn sagen.
    Sie sah in an. Ihre Hände fielen in ihren Schoß. »Ihr wusstet davon?«
    Er wich ihrem Blick aus, senkte den Kopf. »Nein. Jeder dachte, es wäre ein Unglück gewesen. Niemand wusste, dass ihr Vater –«, er schwieg einen Moment. »Damals wäre sie fast gestorben. Ein Nachbar bat mich um Geld, damit sie sich einem Heilkundigen anvertrauen könnte. Ich nahm sie stattdessen in meinen Haushalt auf.«
    Levarda schnäuzte sich. Erschöpft ließ sie ihren Kopf gegen die Sessellehne fallen.
    »Was passiert ist, ist furchtbar, aber solche Dinge passieren, und noch viel schlimmere.«
    Abrupt hob sie ihre Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Er verwendete fast dieselben Worte wie die Stimme am See. Es war unheimlich. Aber ein Lord Otis ließ sich von ihr nicht zum Schweigen verdammen.
    »Wenn Adrijana damit leben kann, was hat Euch so erzürnt, obwohl Ihr es nur gesehen habt?«
    »Nur gesehen?« Sie wollte ihrer Stimme einen scharfen Klang geben, es gelang ihr nicht. Genauso wenig konnte sie ihre Zunge am Sprechen hindern. »Ich habe es gesehen, gefühlt, die Schmerzen gespürt, die Scham empfunden, die Demütigung ertragen; meine Würde wurde mir genommen, ich habe meinen Lebenswillen verloren, und zurückgeblieben ist der Hass.«
    »Ist es immer so intensiv?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es lag an dem Beruhigungsmittel.«
    Levarda stutze, sah in ihren leeren Becher und hob den Blick zu Lord Otis. Seine Augen senkten sich.
    »Was habt Ihr in meinen Wein getan?«
    »Nichts Schlimmes, es wird dafür sorgen, dass Ihr länger schlaft und morgen ein wenig Kopfschmerzen habt.«
    »Und es

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