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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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»Herrschaftzacklzement! Hab ich dich gern.«
    Sie musste ihre Gedanken erst aus weiter Ferne zurückholen. Sie strich sich mit der Hand über die Augen und sah ihn an. Jetzt gab es kein Ausweichen mehr. Jetzt musste sie ihm die Wahrheit sagen. Sie nahm ihn an der Hand, führte ihn zur Bank und setzte sich neben ihn.
    »Ich muss dir etwas sagen, Thomas«, begann sie stockend.
    »Zuerst muss ich dir noch etwas erzählen«, unterbrach er sie eilfertig und legte nun seinen gesunden Arm um ihre Hüfte.
    »Schau, Anna«, begann er. »Das muss raus aus mir. Ich möchte keine Geheimnisse vor dir haben und du darfst mir glauben, ich hab an dich gedacht, als es mir den Arm weggerissen hat und ich dann im Lazarett gelegen hab. Sie wird mich schon noch mögen, hab ich mir gedacht. Und du hast es mir dann auch geschrieben. Ich hab den Brief allerdings erst viel später gekriegt, weil sie mich von einem Lazarett ins andere gebracht haben. In Bingen hab ich den Brief dann bekommen.«
    »In Bingen?«, fragte Anna. »Ist das nicht am Rhein?«
    »Ganz richtig, am Rhein ist es. Und da ist es passiert.«
    »Was ist passiert?«
    Thomas druckste eine Weile herum, sah verlegen auf seine schweren Bergschuhe nieder und schabte mit seiner künstlichen Hand an einem Harzfleck, den er plötzlich auf seiner Lederhose entdeckt hatte.
    Anna mahnte ihn. »Was ist denn dort passiert, Thomas?«
    »Ja weißt – da war eine Krankenschwester – Ingeborg hat sie geheißen, ein recht netter Kerl und – sie hat sich so um mich gekümmert.«
    »Aha.«
    »Was aha?«
    »Ich meine bloß, es war doch auch ganz recht. Du hast ja einen Menschen gebraucht, der sich um dich kümmert.«
    »Gelt, das sagst du auch«, fiel er hastig ein. »Ja – und einmal, es war schon ziemlich spät, wir haben auf der Terrasse draußen gesessen und auf den Rhein hinuntergeschaut, und da hab ich ihr – weißt Anna, es war ja weiter nichts dabei – da hab ich ihr ein Bussl gegeben. Aber bloß aus Dankbarkeit.«
    Anna war zumute, als müsste sie seinen Kopf in ihre Hände nehmen. So ein großes Kind war er, dieser baumstarke Thomas Staffner.
    »Ach so, nur aus Dankbarkeit«, lachte sie.
    »Gewiss ist das wahr, Anna. Nichts anderes als Dankbarkeit war es. Ich hab mir nirgends recht helfen können am Anfang. Da hat sie mir das Fleisch geschnitten beim Essen und hat auch sonst recht auf mich geschaut.«
    »Natürlich, Thomas. Das versteh ich doch alles ganz gut. Und ist es dann bei dem einen Kuss geblieben?«
    Er senkte schuldbewusst seinen Blick. »Na ja, es sind vielleicht ein paar mehr geworden. So zwanzig oder dreißig vielleicht. So genau weiß ich das nicht mehr. Aber sonst ist nichts weiter passiert. Weißt, sie hat so eine nette Figur gehabt und hat so nett lachen können. Ich hätte so was Urwüchsiges, hat sie immer gesagt. Und da hab ich mir halt gedacht: Gibst ihr halt einmal ein Bussl, nur aus Dankbarkeit. Weiter ist es ja nicht gegangen und so unrecht wird es ja auch nicht sein, oder?«
    »Nein, nein«, antwortete Anna beklommen. Es war ihr ganz siedend heiß aufgestiegen bei dem Gedanken, ob Oliver sie auch nur aus Dankbarkeit geküsst hatte. Sofort verscheuchte sie aber diesen Gedanken wieder und sagte: »So viel Unrecht ist da nicht dabei, Thomas und ich bin die letzte, die dir das übel nimmt. Es war ja auch wegen der Urwüchsigkeit«, fügte sie lachend hinzu. »Und außerdem warst du ja nicht verheiratet.«
    »Die Verheirateten haben es viel ärger getrieben«, versicherte er eifrig.
    »Du warst ein freier Mensch«, sprach Anna mit Nachdruck weiter. »Und Männern nimmt man’s sowieso nicht so krumm wie unsereinem. Aber wenn du schon so ehrlich bist, Thomas, dann muss ich es auch sein. Also, hör mir einmal gut zu – «
     
    In diesem Augenblick wurden draußen vor der Hütte Stimmen vernehmbar. Drei Touristen kamen auf die Hütte zu, drei Männer, denen man ansah, dass sie noch vor kurzem Soldaten gewesen sein mussten. Ihre Kleidung war grau, es waren zweifellos umgearbeitete Uniformen. Sie legten ihre Rucksäcke vor der Hütte ab und einer fragte bescheiden, ob sie nicht ein Glas Milch haben könnten.
    »Eins bloß?«, fragte Anna und wusste nicht, ob sie wegen dieser Störung dankbar oder unwillig sein sollte. »Ihr seid doch zu dritt?«
    Der Mann in der Tür schaute sie verwundert an. »Wenn das geht? Wir haben schon auf zwei Almen gefragt und nichts bekommen.«
    »Kommt halt herein und setzt euch nieder«, forderte Thomas sie jetzt auf, als sei er der

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