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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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hast, denn du hast der Anna gar nicht Bescheid gesagt, dass die Mutter stirbt.«
    »Weil ich niemand gehabt habe zum Schicken«, redete sich Matthias heraus.
    »Dann hättest es sagen müssen und nicht lügen, dass du den Buben vom Bergmoser hinauf geschickt hast!«
    »Helfen hätte sie der Mutter ja doch nicht mehr können.«
    Die weißen Brauen des Rauschers schoben sich hart zusammen. »Darum geht es nicht. Wenn ein Mensch in solchen Situationen lügen kann, dann weiß ich, was ich von ihm zu halten habe. Und vielleicht ist es ganz gut, dass ich weiß, wie ich mit dir dran bin.«
    »Dann ist es ja gut«, antwortete Matthias und war froh, dass diese unerfreuliche Auseinandersetzung zu Ende war, denn soeben kam der Pfarrer über den Hofplatz, um die Tote zu segnen und zum Friedhof zu bringen.
    Eine große Menge gab der toten Rauscherin das Geleit, und am erschütterndsten weinte Emma Brommesberger, so, als würde ihre eigene Mutter begraben.
    Anna stand mit einem versteinerten Gesicht neben dem Vater. Sie litt entsetzlich darunter, dass sie kein Wort mehr mit der Mutter hatte sprechen können und fasste es so auf, als habe die Sterbende ihr nichts mehr zu sagen gehabt nach der Enttäuschung, die sie ihr wegen Thomas bereitet hatte.
    Als sie über das schwarze Trauergefolge sah, entdeckte sie an der Mauer den Thomas Staffner. Als sie ihm in die Augen schauen wollte, wich er ihrem Blick aus. Und danach war ihr dann, als wichen auch alle anderen ihrem Blick aus, als man im geräumigen Nebenzimmer des »Apostel«-Wirts saß, wo die Verwandtschaft auf Kosten des Bauern vom Grund bewirtet wurde.
    Ja, sie irrte sich nicht darin, dass man sie zu meiden versuchte.
    Die Klinglerin von Perchat, eine Schwester der Verstorbenen, fragte sogar unverblümt: »Was macht denn jetzt dein Amerikaner?«
    Anna gab keine Antwort und mischte sich auch nicht in das andere Gespräch, das am Tisch nun eifrig geführt wurde. Die Cousine von Perchat war es wieder, die damit anfing und ihren Schwager, den Peter Rauscher, fragte:
    »Wie denkst du es dir jetzt, dass es weitergehen soll, Schwager?«
    Diese Frage traf den Rauscher so hart, als begreife er jetzt erst, dass er Witwer geworden war.
    »Irgendwie wird es schon weitergehn«, meinte er und strich ein paar Brotkrumen vom Tisch. »Die Anna muss halt jetzt den Haushalt führen.«
    »Oder der Matthias heiratet so schnell wie möglich«, sprach die Schwägerin weiter.
    Matthias, der daneben saß, nickte: »Es wird mir ja nichts anderes übrig bleiben.«
    In einer zornigen Aufwallung entgegnete der Rauscher: »Vielleicht kannst noch warten, bis wenigstens die Kränze am Grab der Mutter verwelkt sind.«
    Danach ging Anna an der Seite des Vaters in den Goldenen Grund zurück. Das war so gegen vier Uhr am Nachmittag.
    Die Sonne schien stechend heiß, bis sich wieder eine von den großen Wolken davor schob. Anna hatte den schwarzen Bänderhut abgenommen und trug ihn in der Hand. Der Wind spielte mit ihrem blonden Haar an den Schläfen. Den Kopf zu Boden gesenkt, dachte sie an die kalte Ablehnung, die man sie überall hatte spüren lassen. Die ganze Verwandtschaft schien der gleichen Meinung zu sein. Mit welchem Recht eigentlich? Das Recht, über sie wegzusehen, stand nur Thomas zu.
    Plötzlich blieb der Rauscher stehen und sagte mit schwerem Atem: »Ja, wie soll es jetzt weitergehen? Es wird nichts anderes übrig bleiben, Anna, als dass du von der Alm runterkommst.«
    »Und das Vieh?«
    »Müssen wir es halt heuer früher heimbringen. Ich kann es nicht ändern. Man findet ja niemanden, der auf die Alm gehen möcht.«
    »Hast ja gehört, was die Klinglerin gesagt hat. Der Matthias soll bald heiraten.«
    Der Bauer schwieg lange Zeit. Dann polterte es aus ihm heraus: »Wenn ich darin einwillige, wird eine junge Bäuerin im Haus sein, von der ich nicht weiß, wie sie es meint. Ich kenn sie zu wenig, die Cilli. Aber ich weiß, dass du dann nur noch eine Magd sein wirst.«
    »Solange du am Leben bist, Vater, bin ich immer deine Tochter und nie die Magd meines Bruders. Es sei denn, du meinst es mir auch so ungut wie die Mutter, die mich in ihrer Sterbestund’ nicht mehr rufen ließ.«
    »Und wie sie gewartet hat auf dich, Anna.«
    »Warum hat man dann nicht nach mir geschickt?«
    Hier log nun der Bauer, nicht, weil er seinen Sohn in Schutz nehmen wollte, sondern weil er wusste, dass wenig Liebe unter den Geschwistern bestand und dieses Wenige nicht zu Hass ausreifen durfte, wenn es im Goldenen Grund

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