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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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hört.«
    »Ja, wir haben nie Streit gehabt miteinander.« Der Rauscher hängte dann Stock und Hut an die Ofenstange und setzte sich. »Also, pass auf, Risser. Mein Matthias will heiraten.«
    Mit schnellen Zügen brachte der Risser seine Pfeife in Brand. »Die Cilli hat was gesagt, ja.« Noch mal ein paar hastige Züge an der Pfeife, dann war das Faltengesicht von Rauch eingehüllt. »Meine Bedingung kennst du ja.«
    Der Rauscher nickte. »Deswegen bin ich gekommen, weil ich dich fragen möcht, ob du vielleicht mit sechzig Jahren schon alles aus der Hand geben und in den Austrag gehen möchtest.«
    Eine lange Pause. In der Wärme zerrann der Schnee an den Schuhsohlen des Rauschers und bildete eine kleine Lache auf dem Boden. Der Pfeifenrauch schlängelte unter der niedrigen Decke hin. Die Uhr schlug gerade die dritte Nachmittagsstunde. Über der Stubendecke polterten Schritte.
    Endlich antwortete der Risser: »Warum nicht? Müssen wir Bauern immer werkeln, bis wir in die Grube fallen? Jeder Beamte wird mit fünfundsechzig pensioniert. Die meisten haben mit sechzig schon da ein Zwicken und dort ein Drücken, im Magen oder am Herzen, dass sie frühzeitiger aufhören können. Bloß wir Bauern bilden uns immer ein, es geht nicht ohne uns, und merken gar nicht, wie wir den Jungen im Wege stehen.«
    Lange hatte der Rauscher darüber nachzudenken. Dann nickt er. »Eigentlich hast du Recht.«
    »Und ob ich Recht habe. Warum sollten wir nicht auch ein paar schöne Jahr für uns haben? Und dann -wenn ich die andere Seite betrachte – was wär denn meine Cilli, wenn du dem Matthias den Hof noch nicht übergeben willst? Eine billige Magd und nicht mehr! Nein, nein, Rauscher, da kommst nicht drum rum. Ich muss auf meiner Bedingung bestehen, jetzt noch mehr als früher.«
    Der Rauscher horchte auf. »Wie meinst das?«
    »Wie ich das meine? Wir wollen ganz ehrlich miteinander reden, Rauscher. Früher, da hat es so ausgeschaut, als ob deine Anna Sägemüllerin werden sollte. Was man aber so hört, soll der Thomas sich ganz von ihr zurückgezogen haben, seit die Gaudi war mit dem Amerikaner. Und so lang die nicht unter der Haube ist, ist es schon besser, wenn kein Irrtum besteht und man weiß, wer die Bäuerin ist.«
    Der Bauer vom Goldenen Grund biss sich auf die Lippen. Er wollte etwas Heftiges erwidern, aber in diesem Augenblick kam die Cilli zur Tür herein. Sie war zierlich und dunkel, mit einem gewissen Charme, wie man ihn bei einem Bauernmädchen sonst kaum findet, eher bei einer Chefsekretärin, bei deren Augenaufschlag man sofort erkennen kann, ob der Besucher angenehm war oder nicht.
    Mit einem Lächeln, das schön war von den Augen bis in die Wangengrübchen hinein, zeigte sie dem Rauscher, dass er willkommen sei. Und der Rauscher seinerseits begriff, dass sein Sohn diesem schlanken Mädel verfallen war. Er konnte sich nur nicht denken, dass sie bei so viel Zierlichkeit dem Hof im Goldenen Grund etwa ein halbes Dutzend Kinder schenken könnte.
    Ihr Gang hatte etwas Schwebendes und die Geste, mit der sie dem Rauscher die Hand reichte, war herzlich.
    »Grüß dich Gott, Schwiegervater«, sagte sie und der Rauscher hob wie in schmerzlicher Verwunderung die Brauen. So weit war es doch noch gar nicht. »Es ist nett von dir, dass du dich wieder einmal bei uns sehen lässt.«
    »Schau nach, wo die Mutter steckt«, sagte der Risser, nahm seine Pfeife auseinander und blies das Wasser aus dem Rohr.
    So nach und nach kamen sie dann alle herein, die jüngere Schwester der Cilli, ihre beiden Brüder und die Mutter. Es wurde Kaffee getrunken und danach gingen der Risser und der Rauscher zusammen ins Dorf hinunter. Auf dem Weg dorthin erfuhr der Rauscher wie nebenbei, was die Cilli als Mitgift bekommen würde. Es war nicht gerade viel, aber der Rauscher sagte:
    »Die Hauptsache ist, wenn sie arbeiten mag.«
    »Schaut meine Cilli vielleicht so aus, als ob sie nicht anpacken könnt?«
    »Das grad nicht. Aber ein bissl schmächtig kommt sie mir vor.«
    »Die Mageren sind oft zäher als die Molligen«, versicherte der Risser eifrig. »Und du wirst dich wundern, wie gut die Cilli kochen kann. Gestern Abend zum Beispiel, da hat sie mir einen Rostbraten gemacht, den hättest auf der Zung zerdrücken können.«
    Der Rauscher blieb stehen und schaute den anderen etwas erstaunt an. »Lebt ihr so nobel? Bei uns war es bisher Brauch, dass es am Abend bloß eine Milchsuppe gegeben hat.«
    »Freilich gibts bei uns auch nicht alle Tag Rostbraten oder

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