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Licht

Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Meckel
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Piste, wo fremde Vögel wie Bauarbeiter pfiffen.
    Wir gehörten zur Klasse der Touristen, ob wir das wollten oder nicht. Wer von Lyon nach Monrovia flog war ein wohlhabender Mensch. Wer wohlhabend war besaß überflüssiges Geld. Das meiste Geld besaßen die Amerikaner. Infolgedessen war der Tourist Amerikaner. In den Augen der Schwarzen waren wir Amerikaner, und im Grund war das richtig, solange wir mit einer Kamera in den Slums von Kakafa spazieren gingen. Wir waren Leute, die sich nicht schmutzig machten, wir waren die leibhaftigen Schatten unseres Geldes. Solange wir ein Taxi bezahlen konnten, wurde nicht gefragt, wer wir wirklich waren. Keine Chance, von anderen Touristen unterschieden zu werden. Aber so sind wir doch gar nicht, sagte Dole, wir führen doch keine manikürten Pudel mit uns herum! Aber so waren wir unter anderem auch. Es ließ sich nicht leugnen, daß wir Reiseschecks besaßen. Wir waren die Leute mit dem sicheren Geld, auch wenn wir alte Pullover trugen.
    Von einer Dorfpost aus telefonierten wir mit früheren Kollegen. Wir sind es, sagte Dole, immermal wieder ins Blaue unterwegs. Ob ein Besuch am Nachmittag möglich war? Wir besuchten die alten Kollegen in ihren Häusern. Das waren Bungalows auf dem Land, Grundstücke mit Garagen, Blumenrabatten und wildem Wein, bequeme Sessel auf einer Steinterrasse, einfaches Leben mit Sauna und zwei Wagen. Es gab griechische Teppiche im Gartenzimmer, das immer richtige, nicht zu bescheidene Mobilar und die immer und überall richtige Lässigkeit in Kleidung, Frisur und Umgangsform. Das war alles ganz international. Wie viele Jahre haben wir uns nicht gesehn? Die Begrüßung war herzlich, dann ging es nicht weiter. Was wollt ihr trinken? Wir haben hier einen Wein, den müßt ihr probieren. Es wurden Kinder und Haustiere vorgeführt, dann folgte die Besichtigung eines Hobbykellers. Die Gesichter waren älter geworden, fleischig und förmlich oder abgeschliffen; man gab zu verstehen, daß man etwas geworden war. Oder sie waren sich gleich geblieben, sie sahen erstaunlich unangefochten aus. Ihr scheint euch überhaupt nicht verändert zu haben, sagte Dole, aber ich weiß nicht – man sagt das gedankenlos und täuscht sich fast immer. Die Männer oder Frauen hatten gewechselt und ein paar ernste Krankheiten waren überstanden. Wir sprachen von den ersten weißen Haaren, lachten darüber oder versuchten zu lachen. Es wurde Wein am Swimmingpool serviert, wir stießen an und behielten die Gedanken für uns. Es fehlte, trotz Ferien, in allen Familien an Zeit, es fehlten Ruhe, Freude und Selbstironie. Der Zeitmangel war nicht mehr rückgängig zu machen und es war vorauszusehen, daß die Zeit immer schneller vergehen würde, erbarmungslos etwas Unerfreuliches. Das Menschsein steckte in der Routine fest. Die Liebe zeigte ein gereiztes Lächeln (in den Wochenendnächten schlief man noch miteinander). Wir suchten etwas, worüber wir sprechen konnten, und fanden es in der Erinnerung (damals, als wir Babylon unsicher machten!). Wir tranken den Wein und versuchten uns etwas zu sagen. Dole war still in den Gesprächen, rauchte viel und sah mich ratlos an. Wir redeten über Arbeit, Urlaub, Krankheiten, Filme, Reisen, Lebensversicherungen, Betriebsklima, Verteuerung, Karriere und Politik, wir sprachen vorallendingen über Geld. Wir waren für ein paar Stunden gekommen und gingen vorzeitig wieder weg.
    Später saßen wir in einem Gartenlokal und lachten wieder, aber manchmal war das nicht möglich. Meine Leute sind das nicht, sagte Dole, alle diese Gespräche über Steuern, Karriere und Sicherheit. Selbstverständlich muß man darüber reden, wir reden auch über Geld, aber muß man das ununterbrochen tun? Anschaffungen, Absicherungen und Geschäfte – mich macht das so müde, Gil. Das ist doch nicht alles. Man erledigt das, um wirklich atmen zu können, wir wollen doch atmen. Das Geld braucht die Phantasie doch nicht aufzufressen. Ich halte das nicht aus, da gehe ich nicht mehr hin. Ein Glück, daß wir auch richtige Freunde haben. Ich bekomme Angst, wenn ich sehe, wie schnell die Leute vor ihrer Angst kapitulieren und wie unaufrichtig die meisten geworden sind. Keinen Zweifel an sich herankommen zu lassen – das ist unmenschlich. Würde dir einer von diesen Leuten zuhören, ich meine: offen und schön und um deinetwillen zuhören, wenn du etwas Schreckliches mitzuteilen hättest? Dieses Leben mit überzuckerter Dauerdepression, diese komfortable Absterberei. Unterdrückte

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