Lichtbringer - Lichtbringer
wieder entdeckt hatte.«
Frafa blickte aus dem Seitenfenster und sah graue Berghänge und grüne Almwiesen. Gipfel schimmerten weiß über ihnen, getrübt vom Flirren der schlagenden Flügel. Ihr fröstelte. Sie fühlte sich beobachtet, und mit einem Mal hatte sie das Gefühl, dass diese Flucht niemals ein Ende finden würde.
»Einen ... Xotocl«, sagte Rudrogeit.
Der Barmann - Rudrogeit war sich nicht sicher, ob das der richtige Ausdruck war für diese Hinterwäldlerkneipe - musterte ihn abschätzig. Er wischte Gläser an seiner Schürze trocken und stellte sie neben den Zapfhähnen ab.
»Ein was?«, fragte er.
Rudrogeit suchte nach einer Getränkekarte. Aber obwohl das dämmrige Innere dieser Kneipe einem Vampir gelegen kam, sah er nichts dergleichen.
»Xotocl«, wiederholte er. »Oder ... Was für Mischgetränke haben Sie hier?«
»Mischgetränke?«, wiederholte der .. .ja, Wirt! Das war die passende Bezeichnung, beschloss Rudrogeit. Er erinnerte sich an eine Zeit, als solche Häuser stets Schenken mit Wirten gewesen waren und die neumodischeren Begriffe noch nicht geboren waren. Und hier an der Grenze schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
»Wir haben nix Gepanschtes, Vampirjunge«, sagte der Wirt. »Wir haben Bier, Schnaps ...«
»Drei Kronen«, warf eine Stimme hinter Rudrogeit ein. »Das macht selbst Tote wieder warm.«
Rudrogeit drehte sich um. Ein halbes Dutzend junger Burschen hatte sich hinter ihm versammelt, in blauer Arbeitshose und in grob karierten Hemden. Sie waren kräftig, aber mit ein wenig mehr Bauch als Schulter ausgestattet.
»Tut mir leid.« Rudrogeit blickte vom Wirt zu der Dorfjugend. »Alkohol wirkt nicht auf mich. Es wäre Verschwendung.«
»Ja, klar«, sagte einer der Burschen. »Schnaps ist ein Vergnügen für die Lebenden.«
»Ich bin durchaus lebendig«, erklärte Rudrogeit. »Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Vampire tot oder ›untot‹ wären. Tatsächlich sind wir einfach nur eine andere Spezies. Unsere Körpertemperatur ...«
Die jungen Burschen sahen sich an und lachten.
»Und ihr trinkt kein Blut, sondern dieses Kokotel, Spitzzahn?« Einer aus der Gruppe trat auf Rudrogeit zu und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Willst du uns das erzählen?«
»Wir brauchen Blut als Nahrung«, räumte Rudrogeit ein. »Viele andere Speisen vertragen wir nicht, und auch unser Geschmackssinn ist eingeschränkt. Wenn der Herr Wirt also kein ...«
»Ui, der Herr Wirt!«
Ein paar der Burschen lachten.
»Vielleicht stehst du auch nur hier an der Theke, um unsere Frauen aufzureißen?« Der Sprecher zwinkerte seinen Kumpels zu. »Sie aufzureißen und ihr Blut zu trinken!«
Rudrogeit verdrehte die Augen, aber er wollte keinen Streit.
»Die Truppe sorgt für meine Vorräte«, sagte er. »Ihr habt nichts zu befürchten.«
»Befürchten?«, sagte der junge Mann. »Es heißt, Vampire sind schneller und stärker als lebende Männer. Von unheiliger Kraft erfüllt. Aber bist du auch stärker als sechs von uns?«
Rudrogeit hob beschwichtigend die Hände und wollte von der Theke wegtreten. Sofort holte einer der Burschen zu einem Schwinger gegen Rudrogeits Gesicht aus. Rudrogeit wich aus, ballte die Faust, doch er ließ sie wieder sinken.
»Bitte«, sagte er. »Es gibt keinen Grund ...«
Zwei der jungen Männer verstellten ihm links und rechts den Weg. Der Bursche vor ihm holte erneut zum Schlag aus. Rudrogeit wollte wieder ausweichen, aber er hatte keinen Platz. Einen Angreifer stieß er zur Seite, dann traf eine Faust sein Gesicht. Er schmeckte Blut. Es war sein eigenes. Er stieß mit dem Kopf nach vorn und traf etwas Weiches.
»Schluss damit, ihr Spinner!«, hörte er eine Frau rufen.
Als er den Kopf wandte, um nach der Stimme zu schauen, bekam Rudrogeit zwei weitere Schläge ins Gesicht. Er trat nach hinten, und jemand schrie auf vor Schmerz. Rudrogeit empfand ein Gefühl der Befriedigung. Er fühlte die Lust, Knochen zu brechen und ernsthaft zu kämpfen!
Ein Knall hallte durch den Raum wie ein Schuss. Rudrogeit fuhr herum.
»Es reicht!«, brüllte der Wirt.
Schwer atmend ließen die jungen Männer von dem Vampir ab.
»Keine Schlägerei in meinem Haus.« Der Wirt hielt einen zusammengelegten Ledergurt in der Hand wie eine Peitsche und ließ ihn wieder drohend auf die Theke klatschen. »Wenn ihr nach der Arbeit zu viel Kraft übrig habt, macht das auf der Straße aus.«
»Oh nein!« Ein Mädchen drängte sich zwischen den Landarbeitern hindurch und
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