Lichtbringer - Lichtbringer
fasste Rudrogeit am Arm. Dabei sah sie grimmig auf die jungen Burschen. »Das werdet ihr schön bleiben lassen. Ihr fallt nicht über unsere Besucher her, wenn sich schon mal welche nach Altagrisa verirren.«
»Das ist ein Vampir!« Einer der Männer spuckte aus. »Wir haben hier keine Vampire, und wir wollen auch keine!«
»Ich bin mir sicher, das hat er verstanden.«
Das Mädchen führte Rudrogeit zwischen den Burschen hindurch zur Tür. Sie trug die schwarzen Haare kurz geschnitten, und ihre Arbeitshose und das grobe Hemd unterschieden sich kaum von dem, was die Angreifer trugen. Erst auf den zweiten Blick erkannte Rudrogeit die kurze Schürze um ihren Bauch und die große Geldbörse darin. Aus einer anderen Tasche in der Schürze zog sie ein Tuch. Sie wischte ihm das Blut aus dem Gesicht, während sie nach draußen traten.
Es war ein lauer Abend. Der Geruch nach Staub hing über der unbefestigten Straße, und nur der Widerschein aus vereinzelten Fenstern sorgte für dämmriges Zwielicht. Das Mädchen führte ihn weiter zu einer Bank neben der Tür und nötigte ihn, sich zu setzen.
Aus dem Inneren der Kneipe hörte er seine Angreifer grölen und Gläser klirren. Niemand folgte ihnen. Das Mädchen spuckte auf das Tuch und rieb in seinem Gesicht herum. Es schmerzte, wenn sie an die Nase kam.
Sie hielt kurz inne und sah ihn an. »Tut das weh?«, fragte sie.
»Ein bisschen«, erwiderte Rudrogeit.
»Oh.« Sie rieb vorsichtiger. »Das hätte ich nicht gedacht. Ich meine, bei Vampiren ...«
»Tote kennen keinen Schmerz?« Rudrogeit lachte trocken. »Vampire ...«
»... sind nicht tot«, vollendete sie den Satz. »Ich weiß. 'tschuldige. Im Gegensatz zu diesen Holzfällern habe ich in der Schule aufgepasst.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen.« Rudrogeit seufzte. »Wenn es keine Vampire gibt in diesem Kaff, ist der Aberglaube natürlich lebendiger als die paar Fakten, die man in der Schule erzählt bekommt.«
Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Das Mädchen wischte an seinem Uniformkragen herum, auf den das Blut getropft war.
»Entschuldigen Sie«, sagte Rudrogeit schließlich. »Für das Kaff. Ich wollte Ihren Heimatort nicht beleidigen.«
»Oh.« Sie lachte bitter. »Das tust du nicht. Du beschreibst ihn ganz richtig. Und sag ›du‹ zu mir -jeder tut das. Ich heiße Sona.«
»Rudrogeit«, sagte Rudrogeit. Er nahm ihre Hand und hielt sie sanft. »Du solltest wieder hineingehen. Bevor deine Freunde glauben, ich hätte dich angesteckt und uns beiden einen Pfahl durch die Brust stoßen.«
Sie lachte kurz auf. »Das sind nicht meine Freunde«, sagte sie. »Und es ist mir auch völlig egal, was sie von mir denken ... Rudrogeit.« Sie musterte ihn. »Du gehörst zu dem Flugkreuzer, der vor der Stadt liegt?«
Rudrogeit nickte. Er hatte immer noch Sonas Geruch in der Nase, ihr Blut ... Der Duft ihrer Haut, ihres Speichels mischte sich darunter. Er roch ihren Körper, und es roch gut. Er hatte selten von lebenden Menschen gekostet. Selbst damals, in einer anderen Zeit, hatte er das Blut getrunken, das seine Mutter ihm gegeben hatte. Von Sklaven gezapft, im Becher serviert. Nicht in blutigem Rausch gerissen.
Töten und Trinken - bei Swankar bekam man von beidem genug, aber seine Mutter achtete darauf, beides voneinander zu trennen. Bei Rudrogeit genau wie bei ihren anderen Gefolgsleuten.
»Ihr seid wegen dieser Albe hier? Die so viele Polizisten umgebracht hat?«
Rudrogeit nickte. Er schaute Sona wieder an und bemerkte, dass auch sie ihn musterte. Einen Augenblick lang versanken ihre Blicke ineinander. Rudrogeit dachte an die freien Vampire, von denen er gehört hatte. Manche von ihnen, so hieß es, kauften nicht nur das Blut zum Trinken, sondern lebten mit ihren eigenen Gefolgsmenschen zusammen. Sie tranken in wilden Orgien, während sie und ihre Menschen einander gegenseitig Lust bereiteten.
»Meine ... meine Vorgesetzte ist gerade bei der Polizei und spricht darüber, wie die Albe entkommen konnte«, sagte er hastig und versuchte, an etwas anderes zu denken als an diese ... Geschichten. »Ich wollte mich derweil in der Stadt umsehen, ob ich ein paar Hinweise sammeln kann.«
»Weißt du«, sagte Sona, »du kannst froh sein, dass du ein Vampir bist. Auf Nachtalben sind hier alle ganz schlecht zu sprechen. Besonders die Polizei. Ein halbes Dutzend Polizisten liegen tot im Gefängnis, heißt es, und eine Krankenschwester und ein paar Gefangene. Sie waren ... verändert. So kalt und so
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