Lichtbringer - Lichtbringer
Sie es mir sagen wollen«, erwiderte Ciriador zögernd.
»Ich schätze deine Zurückhaltung. Leider, fürchte ich, wird deine vorausschauende Diskretion nicht von jedem geteilt. Weißt du, auch Aldungan war einst Herr eines bedeutenden Landes. Ich jedoch hatte das Glück, unter Menschen zu leben, während Aldungan ein Nachtalb ist. Und deren Langlebigkeit kann zur Plage werden.«
Er beugte sich zu Ciriador hinüber und senkte die Stimme. »Auch Aldungan hat eine Vertraute«, erklärte er. »Frafa, die Nachtalbe. Ich fürchte, sie hat an diesem Abend Worte gehört, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren.«
Ciriador nickte. »Was hielt Herr Aldungan davon? Dies scheint mir eine Angelegenheit zu sein, um die er sich kümmern müsste.«
»Fürwahr, das sollte er! Diese Frafa allerdings dient Aldungan schon seit einem Jahrtausend. Da entsteht eine Vertraulichkeit, die durchaus schädlich sein kann.«
Ciriador schwieg.
Gulbert seufzte und sprach weiter: »Aldungan vertraut seiner Sekretärin. Tausend Jahre sind eine lange Zeit, Ciriador, da mag durchaus das Gefühl einer Bindung entstehen. Vertrauen, welches so lange Bestand hat, kann wie etwas Beständiges wirken, wie etwas Festes und Greifbares. Aber natürlich ist es das nicht.
Vertrauen ist ein Gefühl, und ein Gefühl ist etwas, was man selbst im Kopf oder im Herzen trägt. Es ist kein sicheres Band, das einen anderen fesseln würde. Ich denke, Aldungan macht einen Fehler, wenn er im Umgang mit Frafa auf Vertrauen setzt, anstatt einen entschiedeneren Pfad zu beschreiten.«
Der Wagen wurde langsamer. Sie fuhren bereits am Hotel vor, doch Gulbert sprach weiter.
»Aldungan glaubt außerdem, dass er auf Frafa nicht verzichten kann. Aber wir beide wissen, dass auch ein langjähriger und treuer Dienstmann ersetzbar ist. Hat es mir etwa zum Nachteil gereicht, als du den Platz deines Vorgängers eingenommen hast, oder dass ich mich zu jeder Zeit meines Wirkens auf sterbliche Menschen stützen musste?«
Ciriador schüttelte den Kopf. »Ob tausend Jahre oder nicht«, sagte er entschieden. »Ein Mensch weiß zu jeder Zeit besser als ein Nachtalb, was Treue bedeutet!«
Gulbert lächelte. »Siehst du, mein Freund! Aldungan irrt, wenn er denkt, er könne nicht jederzeit einen Ersatz für Frafa finden - einen Ersatz, der es an Treue mit dieser alten und allzu eigenständigen Nachtalbe aufnehmen kann. Aldungan weiß es auch selbst. Dennoch wird er nichts unternehmen, und da diese Gefahr uns beide betrifft, werde ich die Initiative nicht allein ihm überlassen.«
Ciriador empfand ein Frösteln bei diesen Worten. Gulbert plauderte weiter, als bemerkte er das Unbehagen seines Dieners überhaupt nicht ... was vermutlich auch der Fall war. »Ich denke«, erklärte er, »ich werde dafür sorgen, dass die Dame Frafa heute Nacht noch Besuch bekommt.«
5
Die Allianz der Freien Völker - Über Jahrhunderte hinweg gehörte Gulbert der Zauberer zu den einflussreichsten Politikern im Umkreis des alten Bitan. Um das Jahr 650 vor Gründung der Union trat er erstmals als Vorsitzender des Freien Rates in Erscheinung, einem losen Militärbündnis verschiedener Völker gegen das Reich von Falinga.
Nach der vernichtenden Niederlage der Bitaner vor Daugazburg im Jahre 634 vGdU fand er Anerkennung als Hochkönig bei den Fürstentümern von Bitan, bei den Elfenreichen sowie mehreren unabhängigen Menschen- und Zwergengemeinden. Gulberts Wirken ist es zu verdanken, dass diese zunächst nur in Personalunion bestehende Allianz zu einem gemeinsamen Staat zusammenwuchs, in dem der angesehene Zauberer stets eine wichtige Rolle spielte und die meiste Zeit auch formell als Oberhaupt auftrat.
Doch weder Gulbert noch der Staat, den er gründete, hatten das überwinden können, was sie überhaupt erst zusammengebracht hatte: den andauernden Krieg gegen die sogenannten Finstervölker. Als Gulbert sich am Tag der Scherben zum Handeln entschloss, dauerte dieser zermürbende und ergebnislose Konflikt bereits ungezählte Jahrhunderte an. Vor diesem Hintergrund ist vielleicht zu verstehen, weshalb er die Gelegenheit ergriff und versuchte, mittels der eben erst erfundenen Nukleonenbombe die Entscheidung zu erzwingen.
Aus: »G ESCHICHTE DER U NION «, VON T ENDOR I STARIOS ,
P ROF . E M . DER POLITISCHEN A KADEMIE ZU O PPONUA
Als Frafa in ihr Apartment im dritten Stock eines Wohnturms am Saum zwischen Innenstadt und Altstadt kam, spürten ihre Geschöpfe gleich, dass etwas nicht stimmte. Die
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