Lichtbringer - Lichtbringer
Kreise. Das vorher so beschauliche Summen der Insekten wirkte mit einem Mal bedrohlich. Weitere Gnome verbargen sich im Gras, in kleiner und auch in großer Gestalt. Frafa war umzingelt.
»Beweg dich nicht, Schwarzalbe«, sagte der Gnom. »Du bist eine Gefangene der Knochenmesser!«
Frafa hob die Hände und unterdrückte ein Grinsen. Der Schrecken verflog, obwohl noch mehr Gnome mit Pistolen aus dem Gras traten.
Knochenmesser!
Sie hatte die wirklichen Knochenmesser erlebt, deren bloßer Name die Herzen aller Völker mit Furcht erfüllte. Aber das war vor tausend Jahren gewesen, und diese Gnome hier hatten mit den gefürchteten Knochenmessern so viel gemein wie Balgir das Taschentier mit einem Drachen. Frafa hätte sich der kleinen Angreifer im Nu entledigen können, aber warum sollte sie das tun?
»Ich ergebe mich«, sagte sie. »Ich will euch nichts Böses. Ich bin auf der Flucht ... vor Gulbert dem Zauberer und vor Aldungan von Daugazburg.«
Fast hätte sie sich auf die Lippe gebissen. Es kam ihr verwegen vor, die Wahrheit so offen auszusprechen. Und doch ... Gulbert und Aldungan waren die Erzfeinde der ursprünglichen Knochenmesser gewesen. Wenn diese Gnome sich für deren Erben hielten, würden sie gewiss auch die alten Feindschaften pflegen.
Wenn sie es geschickt anstellte, so hoffte Frafa, konnte sie hier Verbündete finden, oder eine Zuflucht. Zumindest waren diese Gnome eine gute Ablenkung, wenn ihre Verfolger kamen.
Der Gnom vor ihr blickte grimmig drein. »Du hast das geheime Tal betreten, in dem unser Bund seit Jahrhunderten überdauert hat. Keine Albe darf hier sein ... Aber die Herrin erwartet dich.« Er winkte mit der Waffe. »Komm.«
Brüsk wandte er sich um und bahnte sich einen Weg durch die Wiese. Frafa folgte ihm. Unterwegs betrachtete sie die hohen Berge rings um das Tal, und leise Zweifel stiegen in ihr auf.
War es möglich, dass echte Knochenmesser hier überdauert hatten, in diesem verborgenen Hochtal? Die Berge dienten den Abtrünnigen und den Aufrührern von jeher als Versteck, und nach der Revolution waren viele Gnome, die sich der neuen Ordnung nicht fügen wollten, hierher geflohen. Zu Beginn ihrer Kanzlerschaft hatte Frafa noch mit echten Knochenmessern zu tun gehabt, mit Veteranen aus Darnamurs Miliz und womöglich sogar mit Darnamur selbst. Immer wieder hatte es Gerüchte gegeben, dass der frühere Protektor überlebt hatte ...
Aber das war vor tausend Jahren gewesen! Die Gnomenbanden hatten sich aufgelöst, die Veteranen der Revolution waren gestorben. Es gab neue Knochenmesser, bloße Schatten ihrer Vorbilder. Wann immer unzufriedene Gnome sich zusammenrotteten, wählten sie den Namen ihrer gefürchteten Helden von einst. Und selbst wenn die Knochenmesser in diesem Tal Nachfahren der echten Knochenmesser waren, so waren es doch nur Nachfahren, so weit von den wahren Vorbildern entfernt wie all die anderen Revolutionäre, geschwätzigen Utopisten oder bloßen Räuberbanden, die in den Jahrhunderten seither diesen Namen geführt hatten. Es war ohne Bedeutung.
»Wer ist eure Herrin?«, fragte sie.
»Die Göttin dieses Tals«, antwortete der Gnom, »die unseren Familien all die Zeit über eine Zuflucht gewährt hat. Sie wusste, dass du kommst, und sie will mit dir reden.«
Nach dieser Enthüllung taten sie schweigend ein paar Schritte, der Gnom vorneweg und dann Frafa mit einer Meute schwatzender Gnome hinter sich und flankiert von brummenden Libellenreitern. Sie hatte viel zu bedenken. Die Knochenmesser kannten keine Göttinnen, sie dienten nur der Macht der Gnome. Die wahren Knochenmesser jedenfalls, die vor einem Jahrtausend in dem Blutbad ertrunken waren, das sie selbst unter den anderen Völkern angezettelt hatten.
Dann blieb der Gnom stehen und wandte sich um. »Das ist das Tal der Blumen«, sagte er. »Mein Name ist übrigens Wisbur. Wisbur Unterbusch.«
Die Nacht schritt voran. Sie sprangen über kleine Wasserläufe und erreichten nach einigen Stunden den See, den Frafa vom Berg aus gesehen hatte. Ihr Führer machte keine Anstalten, innezuhalten, aber einen großen Teil der Eskorte hatten sie verloren: Wisbur Unterbusch ging voraus, und nur noch zwei Gnome folgten ihr. Einer von ihnen schaute immer grimmig drein, wenn Frafa sich umblickte. Die anderen Gnome und auch die Libellenreiter hatten sich irgendwo im Tal zerstreut. Mitunter hörte Frafa einige von ihnen in der Ferne schwatzen, versteckt im hohen Gras.
Was erwartete sie? Die »Göttin«, das klang
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