Lichterspiele
sie. „Gehen Sie schon vor, ich komme in einer Minute nach. Ich muß versuchen, den Sand runterzukriegen.“
In der Damentoilette wusch sie sich Hände und Gesicht und rieb die Füße hinten an den Hosenbeinen ihrer Jeans, um den Sand abzu streifen wie ein Schuljunge, der sich die Schuhe zu putzen versucht. Auf einem rüschenverzierten Toilettentisch lag eine protzige Kamm- und Bürsten-Garnitur, und sie fuhr sich mit dem Kamm durch ihre verfilzten Haare, wobei sie die Hälfte der Zinken ab brach, aber die wirre Masse einigermaßen in Form brachte. Als sie sich zur Tür umdrehte, erblickte sie sich in dem hohen Spiegel. Kein Make-up, verblichene Jeans, Farbflecken. Sie zog den unmöglichen Kittel aus, wurde wütend auf sich selbst, weil sie sich mit etwas so Lächerlichem wie ihrem Äußeren abgab, und zog ihn wieder an. Die Leute würden sie für eine Hippie-Kunststudentin halten. Ein Modell. Ben Littons Geliebte. Sollten sie. Wie Robert Morrow richtig gesagt hatte, es würde ihnen etwas zu tratschen geben.
Aber als sie aus der Damentoilette kam und über den dicken Tep pich des Foyers ging, sah sie dankbar, daß Robert Morrow sie nicht, wie sie ihm gesagt hatte, allein gelassen hatte, um sich zu den anderen zu gesellen, sondern an der Rezeption auf sie wartete. Er las ein Sonntagsblatt, das jemand auf einem Sessel liegengelassen hatte. Als er sie kommen sah, faltete er die Zeitung zusammen und bedachte Emma mit einem aufmunternden Grinsen.
„Alle Achtung“, sagte er.
„Ich hab den Hotelkamm zerbrochen. Ausgerechnet einen so schönen, er gehörte zu einer Garnitur. Sie hätten nicht warten müs sen. Ich war schon mal hier und kenne den Weg...“
„Dann kommen Sie.“
Es war Viertel vor zwei, die Mittagszeit war vorüber. Nur ein paar ernsthafte Zecher saßen noch an der Bar, hielten ihre Gin To nics umklammert und wurden schon ein bißchen rot im Gesicht. Ben Litton, Marcus Bernstein und Mrs. Kenneth Ryan saßen auf der anderen Seite des Raumes in der Nische, die von einem großen Panoramafenster gebildet wurde. Mrs. Ryan nahm den Platz am Fenster ein, vor einem Hintergrund, der wie das Plakat eines Reisebüros aussah - knallblaues Meer, ein Stück Himmel und das gepflegte Grün des Minigolfplatzes. Die beiden Männer, Ben in seinem Blaumann und Marcus in seinem dunklen Anzug, saßen seitlich von ihr, so daß Mrs. Ryan es war, die Emma und Robert zuerst sah.
„Sieh mal an, wer da ist...“ sagte sie.
Sie drehten sich um. Ben blieb sitzen, aber Marcus stand auf und trat mit ausgestreckten Armen auf Emma zu, um sie zu begrüßen; seine Freude, sie zu sehen, war echt und demonstrativ zugleich, sehr unbritisch. Er konnte gelegentlich nahezu peinlich österreichisch sein.
„Emma, mein liebes Kind. Endlich bist du da.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern und küßte sie feierlich auf beide Wangen. „Welche Freude, dich wiederzusehen, nach so langer, langer Zeit. Wie lange ist es her? Fünf Jahre? Sechs Jahre? Wir haben uns eine Menge zu erzählen. Komm, ich stell dir Mrs. Ryan vor.“ Er nahm sie bei der Hand. „Aber deine Hand ist wie ein Eisblock. Was hast du gemacht?“
„Nichts“, sagte Emma. Sie fing Roberts Blick auf und beschwor ihn stumm, sie nicht zu verraten.
„Und mit bloßen Füßen... wie hältst du das aus? Mrs. Ryan, das ist Bens Tochter Emma, aber geben Sie ihr nicht die Hand, sonst sterben Sie an einem Schock.“
„Ich kann mir schlimmere Todesarten vorstellen“, sagte Mrs. Ryan und streckte ihre Hand aus. „Guten Tag.“ Sie zuckte unwillkürlich zusammen. „Ich muß schon sagen, Sie sind sehr kalt.“
In einer plötzlichen Eingebung sagte Emma: „Ich war schwim men. Deswegen haben wir uns verspätet. Und deshalb seh ich so schlampig aus. Mir blieb keine Zeit mehr, nach Hause zu gehen und mich umzuziehen.“
„Oh, Sie sehen nicht schlampig aus, Sie sehen reizend aus. Neh men Sie Platz... wir haben doch noch Zeit für einen Drink? Das Restaurant wird sicher nicht vor unserer Nase zumachen oder so was. Robert, seien Sie ein Schatz, und bestellen Sie noch eine Runde für uns. Was möchten Sie, Emma?“
„Ich... ich möchte eigentlich gar nichts.“ Ben hüstelte leise. „Hm... einen Sherry.“
„Und wir anderen trinken alle Martini. Robert, möchten Sie auch einen?“ Emma ließ sich bedächtig auf dem Stuhl nieder, den Marcus freigemacht hatte. Sie merkte, daß ihr Vater sie von der anderen Seite des Tisches beobachtete.
„Ich glaube einfach nicht“, sagte
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