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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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am Fenster, und um hinzugelangen, mußten sie den ganzen Saal durchqueren. Mrs. Ryan ging voran, sich der Bewunderung aller Augen im Raum bewußt und scheinbar unempfänglich dafür. Sie war daran gewöhnt. Hinter ihr Marcus, schäbig, aber seltsam distinguiert und eine aus gesprochen interessante Figur. Dann Robert und Emma und schließlich Ben. Ben blieb etwas zurück, um seine Zigarette auszudrücken, was jedoch in einem Starauftritt gipfelte: Er verhielt einen Moment an der Tür, um mit dem Oberkellner zu sprechen, so daß er, als er den Raum betrat, der alleinige Mittelpunkt der Aufmerksamkeit war.
    Ben Litton ... Das ist Ben Litton, flüsterten sie, als er zwischen den Tischen hindurchschritt, prächtig anzuschauen in seinem Mon teuranzug, das rot-weiße Tuch um den Hals geknotet, die weißen Haare so dicht wie die eines jungen Mannes, mit einer Locke, die ihm wie ein Komma in die Stirn fiel.
    Ben Litton... du weißt doch, der Maler.
    Es war aufregend. Jedermann wußte, daß Ben Litton in Porth kerris ein Atelier hatte, aber wenn man entschlossen war, ihn leib haftig zu sehen, mußte man hinunter in die Stadt gehen, eine Fischerkneipe namens Sliding Tackle aufsuchen, sich dort in die stickige Finsternis setzen, so lange wie möglich mit einem Glas war men Bier auskommen und auf ihn warten. Es war so etwas wie eine seltsame Abart der Vogelbeobachtung.
    Aber heute hatte Ben Litton seine gewohnten Schlupfwinkel ver lassen und war hier im Hotel Castle, um Mittag zu essen wie ein ganz gewöhnlicher Mensch. Der Berg war zum Propheten gekommen. Eine ältere Dame starrte ihn ungeniert durch ihr Lorgnon an, und ein Gast aus Texas bedauerte lauthals, daß er sein Blitzlicht auf dem Zimmer gelassen hatte.
    Emma fing Robert Morrows Blick auf und konnte gerade noch ein Prusten unterdrücken.
    Ben kam schließlich an den Tisch, ließ sich auf dem Ehrenplatz neben Mrs. Ryan nieder, griff nach der Speisekarte und gab nur durch das Heben eines Fingers zu verstehen, man möge den Wein kellner holen. Allmählich legte sich die Aufregung im Speisesaal, aber es war offensichtlich, daß ihnen für den Rest der Mahlzeit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher sein würde.
    Emma schüttelte den Kopf. „Ich weiß, ich sollte das nicht guthei ßen - ich sollte mich schämen für diesen unverfrorenen Exhibitio nismus, aber irgendwie läßt man es ihm jedesmal durchgehen.“
    Robert lächelte. „Nun, es hat Sie wenigstens zum Lachen ge bracht, und Sie machen nicht mehr so ein verkniffenes und nervöses Gesicht.“
    „Sie hätten mir sagen sollen, daß Mrs. Ryan jung und schön ist.“
    „Schön ist sie allerdings. Aber ich glaube nicht, daß sie so jung ist, wie sie scheint. Eher gut erhalten.“
    „Das ist die Art gehässiger Bemerkung, die eine Frau machen würde.“
    „Verzeihung. Es war in der allerbesten Absicht gesagt.“
    „Sie hätten es mir trotzdem vorher erzählen können.“
    „Sie haben mich ja nicht gefragt.“
    „Nein, aber ich habe eine Bemerkung über fette alte Amerikane rinnen gemacht, und Sie haben mich nicht korrigiert.“
    „Vielleicht war mir nicht klargeworden, daß das so wichtig für Sie ist.“
    „Eine schöne Frau und Ben Litton, und Ihnen war nicht klar, daß es wichtig ist? Und nicht nur das; es ist tödlich. Eins steht fest, Sie und Marcus brauchen ihn nicht zu überreden. Ben geht nach Amerika. Ein Wimpernschlag von ihr, und er ist schon mitten über dem Atlantik.“
    „Ich finde, Sie sind nicht ganz fair. Die längsten Wimpern der Welt würden ihn nicht zu etwas bewegen, was er nicht will.“
    „Nein, aber er konnte einer Herausforderung noch nie widerste hen.“
    Ihre Stimme war kalt.
    „Emma“, sagte Robert.
    Sie drehte sich zu ihm um. „Was?“
    „In Ihren Worten klingt eine gewisse Feindseligkeit an.“ Er maß zwischen Zeigefinger und Daumen ab. „Bloß ein klitzekleines biß chen.“
    „Ja... also...“ Sie beschloß, das Thema zu wechseln. „Wann fah ren Sie nach London zurück?“
    „Heute nachmittag.“ Er sah auf die Uhr. „Wir sind ohnehin schon spät dran. Wir müssen aufbrechen, sobald ich Madame Mil lionärin weglocken kann.“
    Aber Mrs. Ryan ließ sich nicht zur Eile antreiben. Das Mittag essen zog sich über vier Gänge hin, nebst Wein, Kognak und Kaffee, in dem jetzt leeren Speisesaal serviert, weil sie ihren Tisch nicht ver lassen wollte. Schließlich machte Robert sich eine Gesprächspause zunutze, er räusperte sich und sagte: „Marcus, es tut mir leid, euch

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