Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
alles ist eine solche Schlamperei, daß es sich nicht mit Sicherheit sagen läßt. Nichts ist gerahmt, es gibt keine Reihenfolge, keine Ordnung...“
    „Ich hatte recht, nicht? Er ist ein sonderbarer Kauz?“
    „Verrückt.“ Robert grinste. „Aber ein Genie.“
    Er wendete den Wagen im Hof und fuhr über den Feldweg zu rück auf die Straße. Er pfiff leise durch die Zähne, und Emma spürte seine Befriedigung über die geglückte Aufgabe.
    „Sie wollen jetzt bestimmt mit Marcus sprechen“, sagte sie.
    „Ich habe ihm gesagt, daß ich ihn sofort anrufe.“ Er sah auf die Uhr. „Viertel nach sechs. Er hat gesagt, er wartet bis sieben in der Galerie und geht dann nach Hause.“
    „Wenn Sie wollen, können Sie mich an der Kreuzung absetzen, und ich gehe zu Fuß nach Hause.“
    „Warum sollte ich?“
    „Ich habe kein Telefon, und Sie möchten sicher schleunigst zurück ins Hotel.“
    Er lächelte. „So dringend ist es nun auch wieder nicht. Und ohne Sie würde ich Pat Farnaby vermutlich jetzt noch suchen. Das min deste, was ich tun kann, ist, Sie nach Hause zu bringen.“
    Sie waren jetzt in der Heide, hoch über der See. Der Wind hatte merklich nachgelassen und war nach Westen abgedreht, und vor ihnen schien der Himmel aufzureißen; unerwartet zeigten sich blaue Flächen, die mit jedem Moment größer wurden, und wäßrige Streifen Sonnenlicht.
    „Das wird ein schöner Abend“, sagte Emma, und als sie es aus sprach, wurde ihr bewußt, daß sie wünschte, Robert würde nicht ins Hotel zurückkehren und sie den Abend allein verbringen lassen. Er war unvermutet in den trüben Tag hineingeweht, hatte ihm Gestalt und Sinn verliehen, und nun wollte sie nicht, daß dieser Tag so plötzlich endete.
    „Wann fahren Sie nach London zurück?“ fragte sie.
    „Morgen früh. Sonntag. Montag morgen bin ich wieder in der Galerie. Das war ein randvolles Wochenende.“
    Blieb also nur dieser Abend. Sie stellte sich vor, wie er Marcus vom Telefon an seinem Bett anrief. Danach würde er ein Bad neh men, vielleicht einen Drink, und zum Essen hinuntergehen. Sams tag abends veranstaltete das Hotel Castle kleine Dinner-Tanz abende; eine Kapelle in weißen Uniformjacken spielte, und eine Tanzfläche wurde freigeräumt. Unter dem Einfluß von Ben war Emma dazu erzogen worden, derartige Veranstaltungen als unerträglich affektiert und langweilig anzusehen, aber heute abend hatte sie das Gefühl, es würde ihr Spaß machen, Bens strikte Ansichten zum Teufel zu jagen. Sie sehnte sich nach den gestärkten weißen Tischtüchern, altmodischen Schlagern, einer zeremoniell dargebotenen Weinkarte, der gekünstelten Eleganz rosabeschirmter Lam pen.
    Neben ihr unterbrach Robert unvermittelt ihren Gedankengang.
    „Wann hat Ihr Vater das Bild von Ihnen auf dem Esel gemalt?“
    „Warum fragen Sie das plötzlich?“
    „Ich habe darüber nachgedacht. Es ist zauberhaft. Sie machen so ein feierliches und bedeutendes Gesicht.“
    „So war mir auch zumute. Feierlich und bedeutend. Ich war sechs, und es ist das einzige Bild, das er je von mir gemalt hat. Der Esel hieß Mokey. Er hat uns immer zum Strand rauf und runter getragen, mit Picknickkörben und allem Drum und Dran.“
    „Haben Sie immer in dem Häuschen gewohnt?“
    „Nicht immer. Erst nachdem Ben Hester geheiratet hatte. Davor haben wir überall gewohnt - in Pensionen oder bei Freunden. Manchmal haben wir einfach im Atelier kampiert. Das war ganz lustig. Aber Hester sagte, sie beabsichtige nicht, wie eine Zigeunerin zu leben; deshalb hat sie die Cottages gekauft und umgebaut.“
    „Das hat sie wunderbar gemacht.“
    „Ja, sie war sehr geschickt. Aber Ben hat dieses Haus nie als sein Heim gesehen. Sein Heim ist sein Atelier, und wenn er nach Porth kerris kommt, ist er so selten wie möglich im Cottage. Ich glaube, die Verbindung mit Hester bedrückt ihn ein bißchen. Er erwartet immer, daß sie hereinspaziert und ihm sagt, daß er zu irgendwas zu spät kommt oder daß er eine Dreckspur auf dem Fußboden hinter läßt oder Farbe auf die Sofakissen...“
    „Offenbar braucht der schöpferische Geist eine gewisse Unord nung.“
    Emma lachte. „Meinen Sie, daß Pat Farnaby, nachdem Sie und Marcus ihn reich und berühmt gemacht haben, weiterhin bei Mrs. Stevens Hühnern hausen will?“
    „Das bleibt abzuwarten. Jedenfalls, sollte er nach London kommen, gibt es gar keinen Zweifel, daß jemand ihn abschrubben und den Staub von Jahren aus seinem verfilzten Bart kämmen muß.“ Er lächelte.

Weitere Kostenlose Bücher