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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Schornsteinkappen ließen darauf schließen, daß es einmal zwei oder sogar drei kleine Cottages gewe sen waren. Die Haustür war passend zum Tor blau gestrichen und hatte einen kupfernen Delphin als Klopfer.
    Robert klopfte. Von oben ergoß sich aus einer defekten Dachrinne ein Wasserschwall über ihn. Er trat zurück und sah hoch, um zu sehen, wo er herkam. Währenddessen wurde die Tür geöffnet.
    „Guten Tag“, sagte Robert, „Ihre Dachrinne leckt.“
    „Um Himmels willen, wo kommen Sie denn so plötzlich her?“
    „Aus London. Sie sollten sie reparieren lassen, sonst rostet sie Ihnen weg.“
    „Sind Sie den ganzen Weg von London gekommen, um mir das zu sagen?“
    „Nein, natürlich nicht. Darf ich reinkommen?“
    „Ja, sicher...“ Sie trat zurück und hielt ihm die Tür auf. „Aber Sie können einen wirklich völlig aus der Fassung bringen. Dauernd tauchen Sie einfach unangemeldet auf.“
    „Wie kann man sich anmelden, wenn Sie kein Telefon haben? Und zum Schreiben war keine Zeit.“
    „Ist es wegen Ben?“
    Robert ging ins Haus und knöpfte seinen Regenmantel auf. „Nein. Wieso?“
    „Ich dachte, er ist vielleicht zurück.“
    „Soviel ich weiß, badet er noch in der milden Sonne von Virgi nia.“
    „Worum geht es dann?“
    Er wandte sich zu ihr um. Ihm kam der Gedanke, daß sie auf absonderliche Art so unberechenbar war wie das Wetter. Jedesmal, wenn er ihr begegnete, schien sie ein anderer Mensch zu sein. Heute trug sie ein rot und orange gestreiftes Kleid und lange schwarze Strümpfe. Die Haare hatte sie im Nacken mit einer Schildpattspange zusammengefaßt, und ihr Pony war gewachsen. Er war zu lang, fiel ihr in die Augen, so daß sie blinzeln mußte. Als Robert sie betrachtete, schob sie den Pony mit der Hand aus dem Gesicht. Es war eine zugleich abwehrende und entwaffnende Geste, die sie sehr jung wirken ließ.
    Er holte den Zettel aus seiner Tasche und reichte ihn ihr. Emma las ihn laut.
    „Pat Farnaby, Gollan Home Farm.“ Sie sah Robert an. „Wo haben Sie das her?“
    „Von der Frau in der Kunstgalerie.“ „Pat Farnaby?“
    „Marcus hat Interesse.“
    „Warum ist er nicht selbst gekommen?“
    „Er wollte ein zweites Urteil hören. Meins.“
    „Haben Sie sich eins gebildet?“
    „Das ist schwer zu sagen, wenn man erst ein einziges Bild gesehen hat. Ich dachte, ich könnte mir vielleicht noch ein paar anschauen.“ Emma sagte warnend: „Er ist ein sehr eigenwilliger junger Mann.“
    „Das kann ich mir denken. Wissen Sie, wo Gollan ist?“
    „Natürlich. Es gehört Mr. und Mrs. Stevens. Früher waren wir öfter im Sommer dort, um auf den Klippen zu picknicken. Aber in letzter Zeit bin ich nicht wieder da gewesen.“
    „Möchten Sie jetzt mit mir kommen? Mir den Weg zeigen?“
    „Wie kommen wir hin?“
    „Mein Wagen steht draußen. Ich bin gestern nacht von London hergefahren.“
    „Sie müssen todmüde sein.“
    „Nein, ich hab geschlafen.“
    „Wo sind Sie abgestiegen?“
    „Im Hotel. Können Sie mitkommen? Jetzt gleich?“
    „Na klar.“
    „Sie brauchen einen Mantel.“
    Emma lächelte ihn an. „Wenn Sie dreißig Sekunden warten kön nen, hole ich einen.“
    Als sie fort war und ihre Schritte klappernd in einem teppichlosen Flur verhallten, zündete Robert sich eine Zigarette an und sah sich um. Das war also die unbekannte häusliche Seite von Ben Littons stürmischer Persönlichkeit.
    Die blaue Eingangstür führte direkt in ein Wohnzimmer mit niedriger Decke und dunklen Balken. Es hatte ein großes Fenster mit Blick aufs Meer, die breite Fensterbank war vollgestellt mit Zimmerpflanzen - Geranien, Efeu und ein viktorianischer Krug mit rosa Rosen. Der Fußboden war mit Schieferplatten belegt, darauf lagen bunte Teppiche, und überall standen Bücher und Zeitschriften und jede Menge blau-weißer spanischer Keramiken. In einem Gra nitkamin auf ebener Erde schwelte ein Holzfeuer, flankiert von Körben mit verwittertem Treibholz, und darüber hing ein Bild. Roberts geübter Blick hatte es wahrgenommen, sobald er ins Haus kam, aber jetzt ging er hin, um es näher in Augenschein zu nehmen. Es war ein großes Ölgemälde, das ein Kind auf einem Esel darstellte. Es trug ein rotes Kleid, einen Strauß weißer Margeriten in der Hand und einen Kranz davon im dunklen Haar. Der Esel stand knietief in üppigem Sommergras, und weit hinten waren Meer und Himmel von Schönwetterdunst überzogen. Die bloßen Füße des Kindes baumelten an den Seiten herunter, die Augen wirkten hell

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