Lichterspiele
etwas tragen?“ hatte Madame Dupres gefragt, und Emma, im Hochgefühl einer luxuriösen Anschaffung, hatte geantwortet: „Ach, zu irgendeinem Anlaß. Einem besonderen Anlaß.“
Ein solcher Anlaß hatte sich bis heute abend nie ergeben. Jetzt zog Emma vorsichtig den Reißverschluß zu und schloß den schmalen Gürtel. Sie hatte die Haare hochgesteckt und trug schlichte, aber ausgesprochen edle Perlenohrringe. Ihr Spiegelbild versicherte ihr, daß die horrende Summe für das Kleid gut angelegt war.
Als Robert kam, stand sie gerade in der Küche und mühte sich mit einer Schale Eiswürfel für die Martinis. Sie hörte seinen Wagen, das Schlagen der Tür, das Öffnen und Schließen des Tores und seine Schritte, als er die Treppe hinunterlief. Hektisch kippte sie die Eis würfel in eine Glasschüssel und stürzte zur Tür. Da sah sie, daß der trübe Tag in einen klaren, herrlichen Abend übergegangen war, ju welenblau und mit Sternen übersät.
„Was für ein schöner Abend!“ sagte sie überrascht.
„Erstaunlich, nicht? Nach dem vielen Wind und Regen sieht Porthkerris aus wie Positano.“ Er trat ins Haus, und Emma schloß die Tür hinter ihm. „Sogar der Mond geht über der See auf, um die Illusion vollkommen zu machen. Jetzt brauchen wir nur noch eine Gitarre und einen Tenor, der 'Santa Lucia' singt.“
„Vielleicht finden wir einen.“
Er trug jetzt einen dunkelgrauen Anzug, ein gestärktes Hemd mit makellosem Kragen; am Handgelenk schauten schimmernde weiße Manschetten mit eleganten goldenen Knöpfen hervor. Seine rotblonden Haare waren wieder gebändigt und glattgebürstet, und sie roch den frischen Zitronenduft von Rasierwasser.
„Haben Sie Lust, einen Martini zu mixen? Ich hab alles fertig, ich war gerade dabei, das Eis...“ Während sie weitersprach, ging sie zurück in die Küche. „Gin und Martini stehen auf dem Tisch. Eine Zitrone auch. Oh, Sie brauchen ein Messer, um die Zitrone zu schneiden.“
Sie zog eine Schublade auf, nahm ein spitzes, sehr scharfes Mes ser heraus und trug es mit der Eisschüssel ins Wohnzimmer. „Schade, daß Ben nicht hier ist. Er liebt Martinis. Leider kann er sich nie auf das richtige Mengenverhältnis besinnen, er ertränkt sie in Zitrone...“
Robert antwortete nicht. Emma stellte fest, daß er mitten im Zimmer stand wie ein Fremder. Er hatte nicht angefangen, ihre Drinks zu mixen, er hatte sich nicht mal eine Zigarette angezündet, und das allein war schon ungewöhnlich; normalerweise wirkte er immer sehr entspannt. Jetzt aber hatte er etwas Verkrampftes, und Emma fragte sich verzagt, ob er schon bereute, daß sie den Abend zusammen verbringen würden. Unsinn. Sicher bildete sie sich das nur ein. Sie legte die Zitrone neben die leeren Gläser, drehte sich um und lächelte ihn munter an. „Na, was brauchen Sie noch?“
„Gar nichts“, sagte Robert und schob die Hände in die Hosentaschen. Nicht die typische Geste eines Mannes, der einen Martini mixen möchte. Im Kamin sackte ein brennendes Holzscheit zusammen und brach entzwei. Funken sprühten auf.
Vielleicht hatte das Telefongespräch ihn durcheinandergebracht. „Haben Sie mit Marcus gesprochen?“
„Ja. Er hatte schon den ganzen Nachmittag versucht, mich zu erreichen.“
„Und Sie waren natürlich nicht da. Hat er sich gefreut, als Sie ihm von Pat Farnaby erzählten?“
„Er hatte nicht wegen Farnaby angerufen.“
„Nein?“ Plötzlich hatte sie Angst. „Schlechte Nachrichten?“
„Nein, eigentlich nicht, aber Sie dürften nicht sehr erbaut sein. Es geht um Ihren Vater. Er hat Marcus nämlich heute morgen aus den Staaten angerufen. Er bat Marcus, Ihnen mitzuteilen, daß er und Melissa Ryan gestern in Queenstown geheiratet haben.“
Emma merkte, daß sie das Messer noch in der Hand hielt, daß es sehr scharf war und sie sich damit schneiden konnte, deshalb legte sie es ganz vorsichtig neben die Zitrone...
Geheiratet. Dieses Wort beschwor das hysterische Zerrbild einer Hochzeit herauf, Ben mit einer weißen Blume im Knopfloch seiner ausgebeulten Kordjacke, Melissa Ryan in ihrem rosa Wollkostüm, eingehüllt in einen weißen Schleier und Konfetti, wild läutende Kirchenglocken, die ihre Botschaft über die grüne Landschaft Virginias schrillten. Es war wie ein Alptraum.
Sie merkte, daß Robert Morrow noch sprach, mit gleichmäßiger, ruhiger Stimme.
„... Marcus hat merkwürdigerweise das Gefühl, er sei schuld. Weil er die Vernissage für eine gute Idee hielt und weil er bei ihnen in
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