Lichterspiele
im braunen Schmelz des Gesichts.
Emma Litton, gemalt von ihrem Vater. Robert fragte sich, wann das Bild entstanden war.
Der Wind erhob sich mit plötzlichem Hexengekreisch und klatschte einen Regenschwall ans Fenster. Es war ein unheimliches Geräusch, und Robert wurde klar, daß dies ein einsames Heim sein konnte; er fragte sich, was Emma an so einem Tag zu tun fand. Als sie wiederkam, mit ihrem Mantel und einem Paar Gummistiefel, fragte er sie danach.
„Ach, ich putze das Haus, ich koche und gehe einkaufen. Das braucht ziemlich viel Zeit.“
„Und heute nachmittag? Was haben Sie heute nachmittag ge macht, als ich an die Tür klopfte?“
Emma zerrte an einem Gummistiefel. „Ich hab gebügelt.“
„Und abends? Was machen Sie abends?“
„Meistens geh ich raus. Spazieren und so. Ich beobachte die Mö wen und die Kormorane. Schau mir den Sonnenuntergang an, sammle Treibholz fürs Feuer.“
„Allein? Haben Sie gar keine Freunde?“
„O doch, aber die Kinder, die hier lebten, als ich klein war, sind alle erwachsen und weggezogen.“
Es klang traurig. Robert sagte spontan: „Sie könnten mit mir nach London kommen. Helen würde sich freuen.“
„Ja, ich weiß, aber es lohnt sich kaum, nicht? Ben kann schließlich jeden Tag zurückkommen. Es kann sich nur noch um Tage han deln.“
Sie zog ihren Mantel an. Er war marineblau, und mit den schwarzen Strümpfen und den Gummistiefeln sah sie darin wie ein Schulmädchen aus.
„Haben Sie was von Ben gehört?“ fragte Robert.
„Von Ben? Das soll wohl ein Witz sein.“
„Allmählich wünschte ich, wir hätten ihm nie geraten, wieder nach Amerika zu gehen.“
„Warum?“
„Weil es Ihnen gegenüber nicht ganz fair war.“
„Ach du lieber Himmel, mir geht's gut.“ Sie lächelte. „Gehen wir?“
Der Hof der Stevens lag in einem grauen Heidestreifen, der zu den Klippen abfiel. Grau, mit Flechten bewachsen, wie ein Findling ins Land gebettet, hätte man ihn für einen großen Granitblock hal ten können. Der Feldweg, der von der Straße hinführte, wand sich zwischen hohen Steinzäunen, gekrönt mit Weißdorn und Brombee ren. Das Auto rumpelte und holperte den Weg hinab, über eine kleine Brücke, vorbei an den ersten Cottages, einer Herde weißer Gänse, und hielt schließlich vor dem Bauernhof, wo die Stimme eines krähenden Junghahnes schrillte.
Robert stellte den Motor ab. Der Wind hatte nachgelassen, der Regen schien zu einem Seenebel geronnen, dick wie Rauch. Ver schiedene Bauernhofgeräusche waren zu hören, muhende Kühe, gackernde Hühner, das ferne Tuckern eines Traktors.
„So“, sagte Robert, „und wie finde ich den Mann?“
„Er wohnt auf dem Heuboden über der Scheune da drüben. Sie gehen einfach die Steintreppe rauf zu seiner Tür.“
Die Steintreppe war schon von einer Anzahl nasser Hühner, die Getreidereste pickten, und einer gelangweilt dreinblickenden, ge scheckten Katze besetzt. Davor wühlte eine kolossale Sau im Schlamm des Hofes. Es roch stark nach Mist. Robert seufzte. „Nun denn, im Namen der Kunst.“ Er öffnete den Wagenschlag und stieg aus. „Wollen Sie nicht mitkommen?“
„Ich denke, ich nütze Ihnen mehr, wenn ich nicht im Weg bin.“
„Ich werde versuchen, es kurz zu machen.“
Sie sah, wie er sich seinen Weg durch den durchweichten Hof bahnte, das Schwein mit einem Fußtritt zur Seite stieß, vorsichtig die Treppe hinaufging. Er klopfte an die Tür, und als keine Antwort kam, öffnete er sie und trat ein. Die Tür fiel hinter ihm zu. Fast gleichzeitig öffnete sich die Tür des Bauernhauses, und die Bäuerin erschien, in Stiefeln, einem Regenmantel, der ihr bis zu den Fesseln reichte, und einem schwarzen Südwester. Sie hatte einen kräftigen Stock in der Hand und kam den Gartenweg entlang, um zu sehen, wer in dem großen grünen Wagen saß.
Emma kurbelte das Fenster herunter. „Hallo, Mrs. Stevens. Ich bin's.“
„Wer?“
„Emma Litton.“
Mrs. Stevens riß die Augen auf und ließ vor Überraschung ihren Stock fallen. „Emma! Das ist doch nicht möglich! Ich hab dich Gott weiß wie lange nicht gesehen. Was machst du hier?“
„Ich bin mit einem Herrn gekommen, der zu Pat Farnaby will. Er ist jetzt oben.“
„Ist dein Vater wieder zu Hause?“
„Nein, er ist noch in Amerika.“ „Dann bist du ganz allein?“
„Ja. Wie geht's Ernie?“ Ernie war Mr. Stevens.
„Soweit ganz gut, aber er mußte in die Stadt zum Zahnarzt. Sein Gebiß macht ihm furchtbar zu schaffen, er kann es kaum im Mund
Weitere Kostenlose Bücher