Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
auch wenn sie sich eine Maulschelle mehr als verdient hatte.
Dana blieb noch minutenlang bewegungslos im Gras liegen und lauschte. Die Stimmen der Männer waren längst verstummt, die Luft war erfüllt vom Rauschen des Meeres und dem Kreischen der Möwen. Das Aufstehen fiel ihr unsagbar schwer, ihre Glieder waren steif und die Anspannung der letzten Tage forderte nun ihren Tribut. Ihr Magen schmerzte vor Hunger, sie fühlte sich schmutzig und elend. Ihr langes braunes Haar war verfilzt und das ohnehin hässliche mintgrüne Kleid fleckig und zerrissen.
Langsam richtete Dana sich auf. Auf der Straße waren keine Menschen. Trotzdem entschied sie sich für den Weg durchs Gelände. Sie musste den Hügel erreichen. Dana ließ den Blick über den dichten Wald schweifen, der alles andere als einladend auf sie wirkte. Obwohl sie sich vor der Dunkelheit und den wilden Tieren darin ängstigte, zwang sie sich weiter zu gehen. Der Saum des Kleides verfing sich immer wieder in dornigen Gebüschen, einer ihrer Schnürsenkel war gerissen. Der Schuh schlackerte wie ein lästiges Anhängsel an ihrem Fuß. Jedes Knacken im Unterholz, jede Bewegung in den Blättern ließ sie zusammenzucken, doch sie steuerte unbeirrt auf den Weißen Obelisken zu, der dann und wann zwischen den Baumkronen hervorblitzte.
Ein Kaninchen tauchte aus einem Holundergebüsch auf und sprang ihr vor die Füße. Dana sog geräuschvoll die Luft ein, ihr Herz machte einen Sprung. Für die Dauer eines Atemzuges hatte sie sich einer Ohnmacht nahe gefühlt. Wenn sie sich schon vor einem Kaninchen fürchtete, wie sollte sie dann jemals das erreichen, was sie sich vorgenommen hatte?
Dana spürte die allgegenwärtige Bedrohung mit jeder Faser ihres Körpers. Sie war sich sicher, dass die Soldaten nach ihr suchten. Vielleicht verfolgten sie sie bereits. Hektisch blickte sie sich nach allen Seiten um. Sogar die Bäume schienen sie anzustarren. Hunderte Augenpaare lauerten im Unterholz, sie spürte ihre Blicke im Nacken, wenn sie sich von ihnen abwandte.
Dana verdrängte ihre Ängste. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Noch nicht. Noch gab es Hoffnung, Jil lebend zu finden…
Weiter in: »Lichtfänger (Band 2) – Bruderkrieg«
Nadine Kühnemann
wurde am 21.02.1983 in Dinslaken am Niederrhein geboren und ist ihrer Geburtsstadt bis heute treu geblieben. Nach dem Abitur studierte sie Biologie in Düsseldorf und Bochum und schloss ihr Studium mit einem Diplom im Jahr 2008 ab. Heute arbeitet sie als Laborantin bei einem Blutspendedienst. Schon immer begeisterte sie sich für phantastische Geschichten, jedoch wagte sie sich erst während ihres Studiums an ihr erstes größeres Projekt. Der düster-romantische Fantasyroman „Lichtfänger“ ist ihre erste Veröffentlichung.
Mehr über die Autorin auf ihrer Homepage:
http://www.nadine-kuehnemann.de
LESEPROBEN anderer AAVAA Romane
Hansjörg Anderegg
WOHLTÖTER
Roman
LESEPROBE
Alle Personen und Namen sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen
sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Verliert der Zebrafisch eine Niere, lässt er eine neue wachsen.
Warum nicht auch der Mensch?
So hat sich die Kommissarin vom BKA ihren ersten Auslandeinsatz bei Scotland Yard nicht vorgestellt. Am Tatort an der Küste von Kent gibt es Zeugen und eine Menge Fußabdrücke neugieriger Gaffer. Nur vom Toten, der hier gestrandet sein soll, fehlt jede Spur.
Noch zweifelt sie an den Zeugenaussagen, als die Flut ein paar Meilen weiter westlich die halbnackte Leiche eines jungen Mannes anschwemmt. Narben am Unterleib deuten auf chirurgische Eingriffe hin, und was die Pathologin bei der Obduktion entdeckt, verschlägt der Kommissarin die Sprache.
Es ist der Auftakt eines der spektakulärsten Fälle Scotland Yards. Und das dramatische Vorspiel zu einer Begegnung, die ihr Leben verändern wird.
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Schon beim ersten Wurf verfing sich die Angelschnur im Seegras zwischen den Felsen. »Du wirst es nie lernen«, schalt Paul seinen kleinen Bruder. »Nicht zerren! Du musst die Schnur lösen. Nimm das Messer.«
Mikey schmetterte die Angelrute zu Boden, nahm das Fischmesser aus dem Korb und kletterte missmutig über die aufgeschütteten Felsblöcke ans Ende des kurzen Damms. Paul widmete sich kopfschüttelnd wieder seinem Köder. Er liebte diesen Platz im Schatten der Reculver Towers, an der Küste, wo sich das Wasser der Themse mit der Nordsee vereinigte. Seit
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