Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
weshalb Jils Gedächtnis sich nicht löschen ließ, jedoch war er von einem unglücklichen Zufall ausgegangen. Dass Jil ihren Ausflug nach Varyen tatsächlich geplant haben könnte, hätte Ray nie vermutet. Oder hatte er es bloß nicht wahrhaben wollen? Ray presste die Zähne aufeinander, bis seine Kiefer schmerzten. Er war ein Schwächling, ein nichtsnutziger Narr, der immer das Falsche tat. Lesward war charakterstark und handelte stets besonnen, Ray hingegen war ein hirnverbrannter Hornochse, der sich volllaufen ließ wie ein Weinfass und sich in eine Frau verliebte, die ihn ins Unglück stürzen wollte. Ja, er liebte Jil. Verdammt!
»Welche Beweise hast du dafür?«, presste Ray hervor, ohne auf Leswards Provokation einzugehen. »Es kann ein Zufall gewesen sein.«
Lesward stieß ein kaltes Lachen aus und erhob sich von der Bettkante. »Sie hat alles gestanden. Deine Jil hat es zugegeben, es besteht kein Zweifel.« Er kam einen Schritt auf Ray zu. Als reinblütiger Sedhar war Lesward noch einen halben Kopf größer als er. Ray respektierte ihn, doch momentan erstickte die Wut in ihm jegliche Ehrfurcht. Es konnte nicht stimmen, es durfte einfach nicht der Wahrheit entsprechen. Lesward ließ niemals eine Gelegenheit aus, Ray zu provozieren. Weshalb hätte es heute anders sein sollen? Wahrscheinlich wollte er ihn bloß ärgern. Jawohl, so musste es sein. Lesward konnte es nicht ertragen, dass Ray der bessere Kämpfer war, obwohl das Blut seiner Menschenmutter durch seine Adern floss. Ray musste jetzt die Ruhe bewahren. Vielleicht gab es gar keine Beweise.
»Ray, es geht einfach nicht mehr so weiter«, sagte Lesward mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Du bringst uns fortwährend in Schwierigkeiten, aber was du dir jetzt geleistet hast, geht zu weit. Du hättest mir erzählen müssen, dass Jil das Mal trägt, es wäre deine Pflicht gewesen.«
»Du mit deinem beschissenen Pflichtbewusstsein«, knurrte Ray. »Du nimmst dir ein Weib nach dem anderen, du schmierst ihnen Honig ums Maul, nur um sie danach wieder fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel. Du verstehst nichts von Gefühlen.«
Leswards kaltes gekünsteltes Lachen hallte von den Wänden wider. »Und Mr. Selbstbestrafung möchte mir jetzt etwas über Gefühle erzählen? Jetzt sag bloß, du hast dich in die kleine Hure verliebt.«
Ray ballte die Hände zu Fäusten. Er musste sich sehr beherrschen, Lesward nicht das hämische Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. »Es geht dich einen Scheißdreck an, was ich für wen empfinde.«
»Deiner Meinung nach geht es andere immer einen Scheißdreck an, was du tust oder fühlst. Mein lieber Ray, du hast immer noch nicht verstanden, dass wir hier in einer Gemeinschaft leben und dass hier nichts funktioniert ohne Disziplin und Gehorsam. Du kannst uns nicht ständig durch deinen Starrsinn in Gefahr bringen. Ob du die Frau liebst oder nicht, ist zweitrangig. Du hättest das Wohl der Vartyden über deine Gefühle stellen und mir davon erzählen müssen.«
Ray nahm die immer noch verschränkten Arme herunter. Seine Hände streiften das Halfter an seinem Gürtel. Es war leer, er hatte seine Pistole nicht mitgenommen, als er übereilt zu Lesward aufgebrochen war. Vielleicht war es besser so, denn er war sich nicht sicher, ob er der Versuchung hätte widerstehen können, die Waffe zu gebrauchen.
»Ich habe niemals darum gebeten, Teil dieses Ordens zu sein«, presste Ray hervor. Er wusste, dass der Trotz aus ihm heraus sprach. »Ich bin als Säugling meiner Mutter entrissen worden. Ich habe dieses Leben immer gehasst.«
Leswards Lippen zuckten verächtlich. »Du hast nicht dieses Leben gehasst, sondern dich selbst. Das ist ein kleiner Unterschied. Du weißt genau, dass es für Mischlinge keine andere Option gibt. Du hättest bei deiner Mutter nicht überleben können.«
»Dann wäre ich lieber gestorben.« Ray spie die Worte geradezu aus.
»Es steht dir frei, den Tod zu wählen«, sagte Lesward mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht. »Was hält dich davon ab? Du besitzt eine hübsche Waffe.«
»Diese Diskussion führt zu nichts.« Ray war es satt, dass jede Unterhaltung mit Lesward stets auf dasselbe Thema hinauslief.
»Da hast du vollkommen Recht«, sagte Lesward. »Ich rate dir also, dir darüber klar zu werden, was du willst. Solltest du dich für ein Leben in Varyen entscheiden, dann ermahne ich dich hiermit ein letztes Mal, deinen Pflichten nachzukommen.«
Ray überhörte seine letzten Worte, denn etwas
Weitere Kostenlose Bücher