Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
anderes schoss ihm wie ein Blitz in den Kopf. »Wo ist Jil jetzt?« Plötzlich waren Ray Leswards Zurechtweisungen vollkommen egal. »Was hast du mit ihr gemacht?«
Lesward zuckte die Achseln. »Ich selbst habe überhaupt nichts mit ihr gemacht. Da kannst du dich bei Nola bedanken. Sie hat Jil zurück an die Oberfläche gebracht. Sie wird keinen Tag überleben, wenn die Sedharym sie in die Finger bekommen. Und falls doch, dann wird ihr niemand glauben, was sie zu erzählen hat. Nola hat mich davon überzeugt, dass es im Grunde piepegal ist, ob sie etwas über uns weiß oder nicht.« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem boshaften Lächeln. »Selbstverständlich habe ich dennoch Vorkehrungen getroffen. Kade ist ihr auf den Fersen, um sie zu beseitigen.«
Ray durchfuhr ein Schreck, der ihm bis ins Mark drang. Jil hatte Varyen verlassen und befand sich in großer Gefahr. Ray taumelte zurück und ließ sich aufs Bett fallen. Ihm schwirrte der Kopf. Was sollte er bloß tun? Er hätte auf seine Menschenkenntnis hören und sich von Jil abwenden sollen, so lange er noch die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Sie war eine egoistische dumme Göre, die nur an sich selbst dachte. Sie hatte schlechte Absichten gehegt und verdiente es nicht, dass er sich um sie sorgte. Verdammt, aber da war etwas in ihrem Blick gewesen, dass Ray hatte glauben lassen, dass auch sie Gefühle für ihn empfand.
»Ich rate dir, dich nicht auf die Suche nach ihr zu machen«, sagte Lesward und griff nach dem Hebel, der den Türmechanismus in Gang brachte. »Denke daran, was ich dir gerade bezüglich Vernunft und Pflichtbewusstsein gesagt habe. Vergiss sie. Gefühle bringen einen bloß in Schwierigkeiten. Mach’s wie ich: Nimm dir die Mädels und lass sie danach fallen.«
Mit diesen Worten verließ Lesward den Raum.
*****
Wäre der steinerne Mann aus Fleisch und Blut gewesen, hätte er sicherlich eine tiefe Wunde davon getragen. Danas Fingernägel kratzten vor Anspannung über seinen leblosen Knöchel, bis ihre Gelenke schmerzten. Ihr Herz hämmerte heftig gegen ihre Rippen. Sie kauerte dort hinter dem kleinen Sockel und konnte noch immer nicht begreifen, was sie soeben gehört hatte. Lesward hatte gesprochen, sie hatte selbst durch die Metallplatten der Tür laut und deutlich seine Stimme gehört. Ein anderer Mann war noch bei ihm, sie hatten sich gestritten. Lesward hatte mehrfach den Namen Jil genannt. Der Bastard wusste, wo sie war und er wollte sie umbringen. Eine heiße Blase der Entrüstung schwoll in Danas Brust an, platzte schließlich und hinterließ nichts als Hass und Raserei. Wie hatte sie jemals so dumm sein können, ihm auch nur ein einziges Wort zu glauben? Lesward hatte sie benutzt, er hatte von Anfang an kein ehrliches Interesse an ihr gehabt. Dana hasste sich selbst für ihre eigene Naivität. Niemals wieder würde ihr so etwas passieren.
Die Tür neben der Statue schwang auf. Dana blickte durch die Beine des steinernen Bildnisses direkt auf Leswards breiten Rücken. Der ganze Zorn, den Dana zu fühlen imstande war, entlud sich in einem einzigen Augenblick. Wie in Trance stand sie auf und griff nach der Glaskugel auf der Handfläche der Statue. Sie wog schwer in ihrer Hand. Sie konnte sich an den Moment der Tat nicht mehr erinnern, aber als Lesward leblos mit einer blutenden Wunde am Kopf zu ihren Füßen am Boden lag, schlussfolgerte Dana, dass sie ihn mit der Glaskugel in der Hand niedergeschlagen haben musste. Alles war so schnell gegangen, so lautlos, so unwirklich. Sie legte die schwere Kugel zurück an ihren Platz und blickte auf ihr Werk hinab. Sie empfand weder Angst noch Reue. Die Enttäuschung hatte jegliche Gefühle aus ihr heraus gebrannt. Dana war beseelt von dem Gedanken, Jil zu finden, bevor es zu spät war und der von Lesward engagierte Auftragsmörder zuschlagen konnte. Alles andere zählte nicht mehr. Danas Blick irrte zur Seite. Die Tür war noch immer geschlossen, aber sie wusste, dass dahinter noch ein weiterer Mann war, der jeden Moment herauskommen konnte. Dana bückte sich und wühlte in Leswards Taschen nach Gegenständen, die ihr auf ihrem Weg nach Haven nützlich sein konnten. Sie erschrak, als sie bemerkte, dass sich sein Brustkorb in unregelmäßigen Abständen noch immer hob und senkte. Er lebte noch. Dana schluckte, setzte die Durchsuchung jedoch fort.
Gott, verzeih mir.
Sie fand lediglich ein paar Münzen und allerhand Kleinkram, darunter auch eine Uhr, in seiner Hosentasche. Vielleicht
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