Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
Vom Netzwerk:
tränennass. Ray fühlte sich hilflos, er hätte nie für möglich gehalten, dass Jil überhaupt in der Lage war, Tränen zu vergießen. Ebenso wenig hatte er für möglich gehalten, dass er sich jemals verlieben würde.
    »Ray, ich habe nachgedacht«, sagte sie und schniefte. »Ich mag einen großen Fehler begangen haben, aber ohne diesen Fehler hätte ich dich nie kennengelernt. Mir ist erst bewusst geworden, dass ich mich in dich verliebt habe, als ich zu Cryson und seinen in Luxus schwelgenden Gaunern zurückgekehrt bin. Geld und Macht bedeuten mir am Ende eben doch nichts.«
    Ihr Blick war flehend, aber auch voller Wärme. »Sieh mich nicht so an«, sagte Ray mit gebrochener Stimme. Er wandte den Kopf von ihr ab. »Ich bin hässlich. Ich bin nicht gut für dich. Ich bin nicht das, was eine Frau sich wünscht.« Jil griff an sein Kinn und drehte sein Gesicht, bis er gezwungen war, ihr wieder in die Augen zu sehen.
    »Rede nicht so einen Unsinn. Du bist ein gutaussehender Mann, auf deine ganz eigene Art. Cryson war schön und makellos, er war reich, und er war ein Gentleman. Aber unter der Oberfläche war er ein selbstverliebter Schnösel, der nur an seinen eigenen Vorteil gedacht hat. Das bedeutet mir nichts.«
    Ein bitteres Lächeln huschte über Rays Züge. »Soweit ich mich erinnere, habe ich dir genau das damals auch vorgeworfen.«
    Jils Wangen röteten sich. »Und wahrscheinlich hattest du Recht«, sagte sie. »Ich fühle mich schrecklich.«
    Sie stand auf und strich sich das Kleid glatt. »Komm jetzt bitte, ich habe keine Zeit zu verschwenden.«
    In unendlicher Langsamkeit erhob Ray sich von seinem Gesteinsbrocken. Seine Glieder waren vom langen Sitzen steif. Er streckte sich und dehnte seine Finger vor dem Körper, bis sie knackten. Es war nur eine Verzögerungstaktik, das wusste er.
    »Willst du mir nun helfen oder nicht?« Jetzt klang sie wieder ein bisschen wie die Jil, die er kannte.
    »Ich zeige dir, wo du deine Schwester findest.« Diese Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. Übelkeit stieg in ihm auf, als er sich Jils schmerzerfülltes Gesicht vorstellte, wenn sie sah, was er angerichtet hatte. Vielleicht brauchte er ihr die Wahrheit auch gar nicht auf die Nase zu binden, immerhin lagen drei Sedharymleichen ebenfalls im Vorgarten. Sie würde nie rekonstruieren können, was sich wirklich dort abgespielt hatte.
    »Du weißt, wo sie ist?« Jil zerrte an seiner massigen Hand, als führte sie einen widerspenstigen Hund an der Leine. Nur, dass dieser Hund eindeutig mehr Kraft hatte als sie. »Weshalb sagst du das erst jetzt?« Jils Stimme kippte wie sie es immer tat, wenn sie sich aufregte. Er liebte ihre kleinen Macken und Marotten. Oh ja, und wie er sie liebte…
    »Wir brauchen uns nicht zu beeilen, glaube mir«, sagte Ray. Mit einem Gefühl, als befände er sich auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung, schritten sie die Hafenpromenade entlang.
     
    *****
     
    »Da drüben ist es«, sagte Ray. Er deutete auf ein heruntergekommenes Herrenhaus, das den Anschein erweckte, als hätte für einen langen Zeitraum niemand mehr dort gelebt. Hohe alte Bäume und allerhand Gestrüpp und Unkraut wucherten ungehindert im Vorgarten. Eine kniehohe Mauer umgab das reich verzierte Gebäude.
    »Meine Schwester soll in diesem Haus sein? Bist du dir sicher, dass du dich nicht irrst?« Jil bedachte Ray von der Seite mit einem fragenden Blick. Ray war noch immer kreidebleich, den ganzen Weg bis hierher hatte er kaum ein Wort gesprochen. Er stand bewegungslos auf dem Bürgersteig und betrachtete mit leerem Blick das mächtige Gebäude auf der anderen Straßenseite.
    »Ich bin mir ganz sicher«, krächzte er mit heiserer Stimme. »Aber deine Schwester ist nicht in diesem Gebäude, sie ist vor diesem Gebäude.« Er wandte ihr den Kopf zu. Er sah kränklich aus, niemals zuvor hatte Jil ihn so erlebt. Das fahle Licht des herannahenden Morgens verstärkte diesen Eindruck noch mehr. Irgendetwas versuchte er vor ihr zu verbergen. Ein flaues Gefühl machte sich in Jils Magengegend breit. Sie spürte, dass sie gleich vielleicht eine Entdeckung machen würde, die ihr nicht gefiel. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrt gemacht. Jil wunderte sich über ihre eigene Hasenherzigkeit, die so ganz und gar nicht zu ihr passen wollte.
    »Sie ist…« Jil brachte es nicht übers Herz, die Worte auszusprechen, obwohl sie sich längst in ihr Gehirn gebrannt hatten. Sie warf Ray einen flehenden Blick zu.
    »Ja, sie ist tot«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher