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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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dich auf diesen Vertrag eingelassen zu haben?«, fragte Fejelis.
    »Ich bereue es«, sagte Tam mit gedämpfter Stimme. »Und ich werde es noch lange bereuen. Doch ich würde es weit mehr bereuen, wenn ich es nicht getan hätte – das weiß ich, das fühle ich, und das spüre ich mit allen Sinnen.«
    Im Grunde maß Fejelis den Behauptungen von Magiern, die Zukunft vorhersagen zu können, nur wenig Gewicht bei, doch Tams Aussage ließ ihm die Haare zu Berge stehen.
    Er seufzte. »Meine Mutter fand großen Gefallen daran, mir mitzuteilen, dass ihr zu Ohren gekommen sei, Mistress Weiße Hand habe Vaters Gemächer in den frühen Morgenstunden aufgesucht.« Die Beunruhigung des Magiers war nicht zu übersehen. »Tam, kann ich ihr vertrauen?«
    Tam hob an, etwas zu erwidern, überlegte es sich jedoch anders. »Jay«, erklärte er, »das, was ich dir jetzt dazu sagen werde, sage ich als Freund und nicht als Vertragspartner: Ich kann die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Floria an dem Attentat tatsächlich beteiligt war. Da ich weiß, wie sehr sie den Prinzen geliebt hat, kann ich es zwar kaum glauben, aber ich kann es auch keineswegs ausschließen. Worauf sich mein Verdacht begründet, vermag ich dir noch nicht näher zu erläutern. Dafür müssen erst weitere Untersuchungen angestellt werden.«
    Fejelis war kreidebleich. Mittlerweile sah er nicht mehr nur müde aus, er wirkte krank. Entschlossen stellte er seine Flasche auf den Schrank, wo er sie im Auge behalten konnte, dann bückte er sich, hob die Holzbank an und stellte sie einige Meter weiter wieder ab. Das Deckenfenster war zwar nach außen verspiegelt und das Dach wurde bei Sonnenlicht regelmäßig patrouilliert, aber er wollte und würde es gar nicht erst darauf ankommen lassen. Die Diener wären lediglich in der Lage, die Raumaufteilung so zu beschreiben, wie sie vorher gewesen war. »Setz dich«, sagte er.
    Tam tat, wie ihm geheißen. Fejelis nahm neben ihm Platz und streckte sich kurz, um das Reißen im Rücken zu lindern. Sollte er derartige Gespräche in Zukunft häufiger führen, würde er sich wohl leichtere Bänke anschaffen müssen.
    Keiner sagte ein Wort. Fejelis lehnte sich zurück und blickte – auf seine Hände gestützt – in den dunkelblauen Himmel. Er musste an den süßen Geschmack des vergifteten Pfirsichs denken, dessen Saft er sich von den Händen geleckt hatte, im Obstgarten, unter einem ganz ähnlichen spätsommerlichen Himmel. Damals war er allein gewesen und hatte die Einsamkeit und diesen Pfirsich als wohltuendes Geschenk empfunden. In dem Moment hatte er das Gefühl gehabt, er würde sich zu seiner vollen Größe aufrichten – frei von den ständigen Blicken, vom ewigen Warten darauf, dass er endlich Stellung bezog, so oder so, Nord oder Süd. Er hatte es genossen, wie die frische Brise seinen kurzgeschorenen Schädel kühlte, über den seine Mutter und ihr Gefolge so außerordentlich empört gewesen waren.
    Fejelis hatte sich die Haare aus dem denkbar kindischsten Grund abgeschnitten: aus Eifersucht auf seinen Bruder, den kleinen Orlanjis mit dem feuerroten Haar, den verhätschelten Liebling der südländischen Fraktion. Fejelis wollte Aufmerksamkeit. Er wollte der ganzen Welt verkünden, dass er anders war.
    In dieser Hinsicht, so dachte Fejelis, hatte er zweifellos Erfolg gehabt. Der köstliche Pfirsich und die Einsamkeit waren, wie hätte es anders sein können, arrangiert gewesen. Die Leibgarde wurde weggelockt, und er war – von einem Mädchen, das er vergötterte – in den abgelegenen Obstgarten geführt worden, zu den Pfirsichbäumen, zu den tief hängenden Pfirsichen. Da sie drei Jahre älter und einen Kopf größer war, erreichte sie mühelos die höher wachsenden Früchte. Mit diebischer Freude hatten sie Pfirsiche gepflückt und genussvoll hineingebissen. Auf einmal platzte sie damit heraus, dass ihre Mutter bereits nach ihr suchen würde, und schon lief sie davon. Er blieb allein zurück und leckte sich den Fruchtsaft von den Fingern, bis der Schwindel einsetzte, und schließlich die qualvollen Muskelkrämpfe.
    In gewissem Sinne war er an jenem Tag gestorben. Wen auch immer man aus dem Obstgarten getragen hatte, es war nicht das Kind, welches so unbekümmert hineinspaziert war.
    »Wünscht der Tempel meinen Tod?«, fragte er leise den Magier an seiner Seite.
    »Nein«, antwortete Tam. »Meines Wissens nicht.«
    Fejelis drehte den Kopf, betrachtete den Magier eindringlich und versuchte, dessen Worte einzuschätzen.

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