Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Interkalaren Rates zu erhöhen und einige hochrangige Erdgeborene von beiden Seiten mit einbeziehen. Außerdem möchte ich, dass die Richterschaft des Palastes die Formulierungen des Freundschaftsvertrages und aller Folgeregelungen untersucht, um festzustellen, was nach diesem Vertrag erlaubt ist und was nicht – wir müssen uns vor einer Einmischung des Tempels absichern.«
»Jay, du musst auf der Hut sein«, raunte Tam.
Genau das hatte Isidore auch hin und wieder zu ihm gesagt. Doch neben der Trauer war er geradezu berauscht von den sich bietenden Möglichkeiten: Er war der Prinz, und zwar mit allem, was dazugehörte. Morgen schon könnte er sterben, durch den Ehrgeiz der Südländer oder durch eine Intrige der Nordländer. Aus welchem Grunde sollte er sich also zurückhalten?
»Du kannst mir am besten helfen, indem du herausfindest, wie Vater ums Leben kam.« Für den Moment wollte er ihn nicht weiter bedrängen. Selbst gute Freunde konnten sich abwenden.
Fejelis dachte über Floria Weiße Hand nach. Tam sagte, sie habe den Prinzen geliebt, und er vertraute seinem Urteil, obgleich die wachsame Tochter der Wachsamen solcherlei Sentimentalitäten zweifellos verachten würde. Dank ihr hatte Isidore diverse Giftanschläge überlebt – neun solcher Attentate waren Fejelis bekannt, doch in seiner frühen Kindheit hatte es gewiss noch mehr gegeben. Fejelis war dem Wunsch seines Vaters stets nachgekommen, im Palast nur Mahlzeiten zu sich zu nehmen, die Floria zuvor gekostet hatte. Bedächtig sagte er: »Ich denke, ich muss Mistress Weiße Hand von der Palastwache verhaften lassen.«
Der Magier zuckte zusammen. Fejelis fuhr fort. »Was Mutter gesagt hat, könnte ich vielleicht noch als reine Bosheit abtun.« Obwohl er wusste, dass der Überlebensinstinkt seiner Mutter hervorragend war. »Aber nach dem, was du gesagt hast … Wenn ich mich nicht auf Florias Loyalität verlassen kann, kann ich mich auch nicht auf ihren Schutzzauber verlassen. Und sie ist selbst eine Expertin in Sachen Gift.«
Der plötzliche Geschmack eines reifen Pfirsichs im Mund löste bei Fejelis einen Würgereiz aus. Als Tam diesen erstickten Laut hörte, verwechselte er ihn wahrscheinlich mit einem Schluchzen und streckte seine Hand aus, um dem Prinzen mitfühlend den Arm zu drücken. »Es ist eine gute Entscheidung«, sagte er. »Sollte Floria in irgendeiner Form verhext worden sein, darfst du es unter keinen Umständen wagen, ihr zu vertrauen.«
Fejelis ging weder auf den schwachen Moment ein, noch auf die tröstende Geste. »Das wird zwar auf ein paar hungrige Tage hinauslaufen, bis ihre Unschuld bewiesen ist oder ich einen Ersatz gefunden habe, aber dafür bleibe ich am Leben. Müsste ich den Tisch mit Mutter und Orlanjis teilen, würde ich mir den Magen verbrennen – ganz abgesehen von meiner Verwundbarkeit gegenüber unseren üblichen Feinden.« Er stand auf. »Ich sollte mich jetzt dringend waschen, umziehen und wieder nach oben begeben. Zum Glück« – er lächelte schief – »wird sich heute wohl kaum noch jemand in meine Nähe wagen, so kurz vor Sonnenuntergang.«
Tam hob den Kopf. »Du irrst dich. Ich bleibe an deiner Seite. Ich bin fest entschlossen, die für das Attentat Verantwortlichen zu finden. Davon hängt weit mehr ab, als ich dir sagen kann, und dabei ist dein Leben noch nicht mal das Wichtigste.«
Floria
Balthasars Brief erreichte sie am späten Nachmittag, persönlich überbracht von der Sekretärin der lichtgeborenen Hälfte des Interkalaren Rates, die sich überschwänglich für dessen Säumigkeit entschuldigte. Florias Lippen wurden schmal, und im Stillen verfluchte sie die Frau für deren Inkompetenz – ein Brief, der nicht für den Adressaten, sondern für einen anderen Empfänger gedacht war, stellte in deren Arbeitsfeld doch nun wirklich keine Seltenheit dar. Mit dem Rücken am Fenster der nach Westen gerichteten Galerie hielt sie den Brief ins Sonnenlicht. Die Schrift dünner und unsauberer als sonst, und in die Kodierung hatten sich Fehler eingeschlichen. Der Brief war zwei Nächte zuvor datiert.
Floria, Baron Strumheller ist wegen der Ermordung Tercelle Amberleys und böswilliger Hexerei gegen Fürst Vladimer verhaftet worden.
Oh, mein armer Freund , dachte Floria, als sie Bals Bitte um Information über den Verbleib seiner entführten Tochter las, w ie schrecklich … Und Strumheller, sein findiger Verbündeter, der Hexerei angeklagt … Sie drehte und wendete den Brief in ihren Händen, fühlte die
Weitere Kostenlose Bücher