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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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glatt poliert und passgenau aneinander gefügt, und alle Holzarbeiten und Fensterläden waren glänzend grau lackiert, so dass jeder noch so feine Riss sofort zu sehen gewesen wäre. Als kleines Mädchen hatte sie einmal mit dem Finger auf den Magierturm gezeigt und sich lauthals über dessen Eintönigkeit beschwert. Ein paar Tage später hatte ihr Vater sie zu der Wohnung eines Leibgardisten des Prinzen mitgenommen, der dort zu Tode gekommen war. Die Mörder erlangten Zugang durch einen Fensterladen, offen gelassen von dem Künstler, der diesen verzieren sollte.
    Jahre später erfuhr Floria, dass ihr Vater diese Ermordung arrangiert hatte und auch, warum: Korruption innerhalb der Leibgarde war inakzeptabel.
    Sie fragte sich, warum es sie bei dieser Erinnerung dermaßen fröstelte. Vielleicht lag es daran, dass sie sich solch einen Typ Mensch gut vorstellen konnte, der vertrauensvoll, geschickt und zugleich gewissenlos genug war, einen Prinzen auf diese Art und Weise zu ermorden.
    Als sie ihre Haustür aufschloss, ließ sie Vorsicht walten, denn gleich dahinter hing ein Ziervorhang aus silbernen Ketten – eine weitere Erfindung der Nachtgeborenen. Schob man ihn beiseite, fielen die Kettenglieder in ein neues Muster. Dieses hatte sich jedoch nicht verändert; der Vorhang war also unberührt geblieben.
    Nichtsdestotrotz, irgendetwas stimmte nicht.
    Sie glitt an dem Vorhang vorbei und schlich lautlos zum Torbogen des großen Salons. Der Netzvorhang am Fenster war ebenfalls unberührt. Die offene Rückwand und das Netzgewebe der Möbel boten keinerlei Deckung, und vorsorglich angebrachte Spiegel gaben Einblicke in verborgene Winkel und Ecken. Mit einem weiteren Gleitschritt erreichte sie den Torbogen des kleineren Nebenzimmers. Auch hier nichts Ungewöhnliches.
    Dann also oben. Vorsichtig zog sie einen Schlüssel aus ihrem Gürtel und entschärfte die Fallen auf den Stufen. Sobald sie den ersten Treppenabsatz erreichte, wusste sie, was nicht stimmte. Unter den vertrauten Duft ihres Hauses hatte sich der unverkennbare Geruch des Mobiliars der Nachtgeborenen und der dazugehörigen Politur gemischt. Oben angekommen, hielt sie inne und warf wie gewohnt einen Blick in alle Zimmer, bevor sie sich der halboffenen Tür ihres salle zuwandte. Nur durch eine Papierwand getrennt grenzte dieser Raum an das Haus des Nachtgeborenen Balthasar Hearne. Reine Disziplin hielt Floria davon ab, ihre Aufmerksamkeit sofort auf den Durchstich in der von Draht verstärkten Papierwand zu richten. Zunächst ließ sie ihren Blick durch den salle schweifen, konnte ansonsten nichts Anomales feststellen und widmete sich erst dann der Wand. Es war eine Art Tür herausgeschnitten worden.
    »Balthasar«, hauchte sie. Die drei verspiegelten Wände reflektierten Floria, die fassungslos im Türrahmen stand, ihre ohnehin helle Gesichtsfarbe hatte die patinierte Blässe einer Leiche angenommen.
    Ihr Spiegelbild hielt das Rapier einsatzbereit in der Hand, als sie den salle durchquerte. Durch die Öffnung fiel gerade genug Licht, dass sie davon leben konnte, und mehr als genug Licht, um jeden Nachtgeborenen zu Asche zu verbrennen. Sie holte einmal tief Luft und wagte sich hindurch, betrat zum ersten und wahrscheinlich letzten Mal Balthasars Haus. Unwillkürlich bemerkte sie die schlecht aufeinander abgestimmten Holzfarben des Bücherschrankes, das zusammengeflickte Leder des Sessels und die unbeschrifteten Buchrücken. Wieder einmal kam ihr Bals völlige Lichtlosigkeit deutlich zu Bewusstsein. Sie atmete tief durch und zwang sich, einen Blick auf den Teppich zu werfen, um dort womöglich einen Haufen feiner Asche inmitten von Stofffetzen und metallischen Gegenständen vorzufinden, der darauf hingedeutet hätte, dass ein Nachtgeborener von Licht erfasst worden war. Doch sie sah nichts dergleichen, nur einige dunkle Flecken getrockneten Blutes am Boden vor der Papierwand. An dieser Stelle hatte Bal in jener Nacht im Sterben gelegen, nachdem zwei Männer auf der Suche nach Tercelle Amberleys Zwillingen in sein Haus eingedrungen waren. Anhand weiterer Blutspritzer konnte sie den Tathergang rekonstruieren. Als es passierte, war sie dazu verdammt gewesen, diesem Angriff tatenlos zuzuhören , bis Floria zu guter Letzt die verzweifelte Idee hatte, mit einer Klinge aus Licht einzugreifen – der Lichtstrahl einer Lampe durch ein winziges Loch in der Wand. Und sie entdeckte auch die Stelle, wo sie die Nadel hindurchgestoßen hatte.
    In dem Durchgang zum Flur warnten

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