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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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er sich mit allen Kräften fest. Das große weiße Pferd tat einen hellen Schrei und sprang auf den Pfad, der durch die Bäume führte; auf der Lichtung blieb eine formlose schwarze Wolke zurück, die unbeweglich wie Rauch in der Luft stand. In immer schnellerem Galopp flog alles vorüber, bis sie schließlich auf die Straße kamen, die Straße durchs Jägertal.
    Die Bewegung des großen Pferdes ging jetzt in einen leichten kraftvollen Trott über und Will hörte den Schlag seines eigenen Herzens in den Ohren, während die Welt in einem weißen Dunst vorbeiflog. Dann, ganz plötzlich, war der Himmel grau, die Sonne verschwunden. Der Wind fuhr Will in den Nacken, in die Ärmel und die Stiefelränder, zerrte an seinem Haar. Große Wolken kamen aus Norden auf sie zugeflogen, wurden immer dichter, ballten sich zu einer riesigen grau-schwarzen Gewitterwand. Dahinter rumpelte und grollte es. Ein Wolkenloch war noch offen, hinter dessen weißem Dunst ein schwacher blauer Schimmer zu sehen war, aber auch dieses Loch schloss sich mehr und mehr. Das weiße Pferd sprang mit verzweifelter Kraft darauf zu.
    Will schaute über die Schulter zurück und sah eine Gestalt, noch dunkler als die riesigen Wolken, auf sich zugefegt kommen: der Reiter. Mächtig, riesig, seine Augen zwei schreckliche Funken blau-weißen Feuers. Ein Blitz zuckte, Donner riss den Himmel entzwei und die Stute sprang in die krachenden Wolken hinein in dem Augenblick, wo sich der letzte Spalt schloss.
    Sie waren in Sicherheit. Der Himmel über ihnen und vor ihnen war blau, die Sonne schien und lag warm auf Wills Haut. Er sah, dass sie das Themsetal hinter sich gelassen hatten. Sie befanden sich zwischen den weich gerundeten Hügeln der Chiltern-Berge, die von hohen Bäumen gekrönt waren, von Buchen, Eichen und Eschen. Und wie ein Netzwerk liefen die Linien der Hecken über die Hänge, die Grenzen uralter Felder — sehr alter Felder, das hatte Will immer schon gewusst; diese Grenzen waren älter als alles andere in seiner Welt, außer den Hügeln selbst und den Bäumen. Dann sah er auf einem der weißen Hügel ein anderes Zeichen. Dieses Zeichen war durch den Schnee und die Grasnarbe hindurch bis in den Kalkstein darunter geritzt worden. Es wäre schwer zu erkennen gewesen, wäre es nicht ein vertrautes Zeichen gewesen. Es war ein Kreis, der durch ein Kreuz in vier Teile geteilt wurde.
    Dann spürte er einen Ruck, seine Hände, die sich fest in die dicke Mähne verkrallt hatten, lösten sich; die weiße Stute gab ein langes, schrilles Wiehern von sich, das ihm in den Ohren gellte und dann auf eine seltsame Weise in der Ferne verklang. Und Will stürzte, stürzte, er spürte keinen Aufprall, wusste nur, dass er mit dem Gesicht nach unten im kalten Schnee lag. Er rappelte sich auf, schüttelte sich. Das weiße Pferd war verschwunden. Der Himmel war klar und die Sonne schien ihm warm in den Nacken. Er stand auf dem Abhang eines verschneiten Hügels, die Kuppe weit hinter ihm war mit hohen Bäumen bestanden und über den Bäumen schwebten winzig klein zwei schwarze Vögel hin und her.
    Vor ihm auf dem weißen Abhang ragten hoch und einsam zwei hohe geschnitzte Torflügel auf, die nirgendwohin führten.

Merriman
    Will vergrub seine kalten Hände in den Taschen, stand da und starrte die geschnitzten Füllungen des geschlossenen Tores an, das vor ihm aufragte. Sie sagten ihm nichts. Er konnte die Bedeutung der gezackten Symbole nicht erkennen, die sich in endlosen Variationen auf jeder der hölzernen Platten wiederholten. Das Tor war aus einem Holz, wie er es noch nie gesehen hatte; es war rissig und voller Narben und doch vom Alter geglättet. Wenn nicht hier und dort eine runde Vertiefung gewesen wäre, wo es nicht ganz gelungen war, die Spuren eines Astlochs zu beseitigen, so hätte man nicht erkannt, dass es überhaupt Holz war. Wenn diese Zeichen nicht gewesen wären, hätte Will gedacht, das Tor sei aus Stein.
    Nun glitt sein Blick an den Rändern des Tores empor. Alle Gegenstände, die er hier sah, schienen leise zu zittern, wie hinter einem Schleier erhitzter Luft, wie sie über einem offenen Feuer steht oder über einer gepflasterten Straße, auf der die Sommersonne brütet.
    Das Tor hatte keinen Griff. Will streckte die Arme aus, legte seine beiden Handflächen gegen das Holz und drückte. Und während die Torflügel dem Druck seiner Hände nachgaben, glaubte er ein paar Takte der fließenden Glockenmusik zu hören, aber dann war sie wieder im dämmrigen

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