Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
dich...
Teil III
Erfüllung
Der Wanderer
Am nächsten Tag schneite es immer noch, es schneite den ganzen Tag. Und auch am Tag darauf.
»Ich wünschte, es würde aufhören«, sagte Mary bedrückt und starrte die blinden weißen Fenster an. »Es ist schrecklich, wie das so immer weitergeht — ich hasse es.«
»Sei nicht blöd«, sagte James. »Es ist einfach ein lang anhaltender Schneesturm. Kein Grund, hysterisch zu werden.«
»Dies ist anders als sonst. Es ist unheimlich.«
»Unsinn. Es ist einfach eine Masse Schnee.«
»Keiner hat schon mal so viel Schnee gesehen. Sieh, wie hoch er liegt — wir könnten gar nicht mehr zum Hinterausgang hinaus, wenn wir ihn nicht von Anfang an freigeschaufelt hätten. Wir werden noch unter dem Schnee begraben. Er drückt aufs Haus. In der Küche hat er schon ein Fenster eingedrückt — wusstest du das?«
Will sagte in scharfem Ton: »Was?«
»Das kleine Fenster an der hinteren Wand neben dem Herd. Gwennie kam heute Morgen herunter und die Küche war eiskalt. In der Ecke hinten lagen lauter Glassplitter und Schnee. Der Schnee muss mit seinem Gewicht das Fenster eingedrückt haben.«
James seufzte laut. »Gewicht drückt doch nicht. An der Hausseite ist eine Schneewehe entstanden, das ist alles.«
»Mir ist egal, was du sagst, es ist erschreckend. Als ob der Schnee versuchte, hereinzukommen.« Sie war den Tränen nahe.
»Lass uns nachsehen, ob der Wa ..., der alte Landstreicher schon aufgewacht ist«, sagte Will. Man musste Mary ablenken, bevor sie der Wahrheit zu nahe kam. Wie viele andere Menschen wurden so durch den Schnee erschreckt? Er dachte wütend an die Mächte der Finsternis und daran, dass er nichts tun konnte.
Der Wanderer hatte den ganzen vergangenen Tag geschlafen, er hatte sich kaum gerührt, nur manchmal unverständliche Worte gemurmelt, und ein- oder zweimal hatte er kurz aufgeschrien. Will und Mary gingen jetzt zu seinem Zimmer hinauf mit einem Tablett Milch und Toast, Marmelade und Cornflakes. Als sie eintraten, sagte Will laut und munter: »Guten Morgen! Hätten Sie Lust auf ein Frühstück?«
Der Wanderer öffnete das eine Auge einen Spalt und blinzelte sie durch sein buschiges graues Haar hindurch an. Jetzt, wo es sauber war, sträubte es sich noch mehr. Will hielt ihm das Tablett hin.
»Pfui!«, krächzte der Wanderer. Es hörte sich an, als spucke er aus.
Mary sagte: »Aber ...«
»Möchten Sie irgendetwas anderes?«, fragte Will, »oder sind Sie nicht hungrig?«
»Honig«, sagte der Wanderer.
»Honig?«
»Honig und Brot, Honig und Brot, Honig — «
»Also gut«, sagte Will. Sie trugen das Tablett weg.
»Er sagt nicht einmal bitte«, sagte Mary. »Das ist ein grässlicher alter Mann. Ich gehe nicht mehr in seine Nähe.«
»Wie du willst«, sagte Will. Er fand ein Glas mit einem Rest Honig in der Speisekammer und bestrich damit drei dicke Stücke Brot. Dies brachte er mit einem Glas Milch dem Wanderer hinauf, welcher sich sofort im Bett aufsetzte und alles gierig verschlang. Es war nicht gerade ein angenehmer Anblick.
»Gut«, sagte er. Er versuchte sich den Honig aus dem Bart zu wischen und leckte sich die Finger, dabei blinzelte er Will an. »Es schneit immer noch? Kommt immer noch mehr herunter?«
»Was haben Sie draußen im Schnee gemacht?«
»Nichts«, antwortete der Wanderer mürrisch. »Weiß nicht mehr.« Er kniff mit listigem Ausdruck die Augen zusammen, fasste sich mit der Hand an die Stirn und sagte weinerlich: »Hab mir den Kopf gestoßen.«
»Erinnern Sie sich, wo wir Sie gefunden haben?«
»Nein.«
»Wissen Sie noch, wer ich bin?«
Er schüttelte prompt den Kopf: »Nein.«
Will fragte noch einmal, in der Alten Sprache: »Wissen Sie nicht, wer ich bin?«
Das zerfurchte Gesicht des Wanderers blieb ausdruckslos. Will glaubte fast, er habe wirklich das Gedächtnis verloren. Er beugte sich über das Bett, um das Tablett mit dem leeren Teller und dem Glas wegzunehmen, als der Wanderer plötzlich aufschrie, zurückwich und sich an die Wand drückte. »Nein!«, schrie er. »Nein! Geh weg! Nimm sie weg!«
Mit weit aufgerissenen, erschrockenen und hasserfüllten Augen starrte er Will an. Will war einen Augenblick lang fassungslos. Dann merkte er, dass sich sein Pullover, als er den Arm ausstreckte, verschoben hatte und der Wanderer die Zeichen an seinem Gürtel sah.
»Nimm sie weg«, heulte der alte Mann. »Sie brennen. Bring sie nach draußen!«
Das wär's also mit dem verlorenen Gedächtnis, dachte Will. Er hörte
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