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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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lenkte ihren Blick wieder auf die Spitze von Kemare Head.
    Wieder rief eine Stimme, und diesmal waren es vertraute Kindheitsworte: »Eins... zwei... drei — los!«
    Jane sah, dass jetzt nur noch die Seile an den Seiten und am hinteren Ende der Plattform von einem Dutzend Männer gehalten wurden. Beim letzten Wort des Kommandos erhob sich in der Menge ein Gesumme und Gemurmel, die Männer an den Seilen rannten nach vorn und seitwärts, die
Greenwitch
schwankte schneller und schneller vor ihnen her — dann wurde das Gestell mit einer einzigen ausholenden Bewegung nach draußen über den Rand der Klippe geschleudert, aber von seinen Seilen am Fallen gehindert.
    Und die große grüne laubbedeckte Gestalt der
Greenwitch
flog, von keinem Seil gehalten, hoch in die Luft und über den Klippenrand von Kemare Head nach unten. Den Bruchteil einer Sekunde lang sah man sie im Blau und Grün zwischen den kreisenden, kreischenden Möwen fallen, dann war sie verschwunden, vom Gewicht der Steine in ihrem Körper nach unten gezogen. Es herrschte Schweigen, als hielte ganz Cornwall den Atem an, und dann hörten sie das Aufplatschen.
    Hochrufe und Geschrei erhoben sich auf der Landzunge. Die Menschen stürzten zum Klippenrand, wo die Männer langsam das Gestell mit den Rädern an den Seilen wieder zurückzogen. Die Leute warfen einen schnellen Blick in den Abgrund und umringten dann die Männer, die die Plattform zogen, und begleiteten sie mit Triumphgeschrei zurück über die Landzunge. Als die Menge am Klippenrand sich gelichtet hatte, trat Jane heran und spähte vorsichtig nach unten.
    Dort unten leckten die breiten Brecher langsam gegen den Fuß der Felsen, als sei nichts geschehen. Nur ein paar verstreute Weißdornzweiglein trieben auf dem Wasser, stiegen und fielen mit der Dünung, schaukelten vor und zurück.
    Von einem plötzlichen Schwindel befallen, wich Jane zurück und suchte wieder Anschluss an die fröhliche Menge der Dorfbewohner von Trewissick. Es roch jetzt nicht mehr nach Weißdorn, nur noch nach Holzrauch und Fisch. Das Feuer war heruntergebrannt und die Leute begannen zurückzuströmen, heim ins Dorf.
    Jane sah Will Stanton, bevor er sie gesehen hatte. Die Gruppe der Fischer, neben der sie stand, ging langsam davon, und da sah sie Will vor dem grauen Morgenhimmel stehen, das glatte braune Haar ging ihm bis zu den Augenbrauen, das Kinn hatte er vorgeschoben, sodass er sie für einen kurzen Augenblick in seltsamer Weise an Merriman erinnerte. Der Junge aus Buckinghamshire starrte regungslos auf die See hinaus, tief in seine ganz eigenen, strengen Gedanken versunken. Dann wandte er den Kopf und sah sie direkt an.
    Die Strenge verwandelte sich mit solcher Schnelligkeit in ein entspanntes, höfliches Lächeln, dass es Jane unnatürlich vorkam. Sie dachte: Wir haben ihn so kühl behandelt, er kann gar nicht so froh sein, mich zu sehen.
    Will kam auf sie zu: »Hallo«, sagte er. »Bist du die ganze Nacht hier gewesen? War es aufregend?«
    »Es hat sehr lange gedauert«, sagte Jane. »Eigentlich hat es zu lange gedauert, um aufregend zu sein. Und die
Greenwitch — «,
sie zögerte.
    »Wie war denn das Flechten?«
    »Oh, schön. Und unheimlich. Ich weiß nicht.« Sie wusste, im nüchternen Tageslicht würde sie es nie erklären können. »Bist du mit Simon und Barney zusammen gewesen?«
    »Nein«, sagte Will. Sein Blick glitt an ihr vorbei. »Sie waren — beschäftigt. Irgendwo. Ich vermute, zusammen mit deinem Großonkel.«
    »Ich vermute, sie sind dir aus dem Weg gegangen«, sagte Jane, selbst erstaunt über ihre Ehrlichkeit. »Sie können nichts dafür, weißt du. Ich glaube, das wird sich bald ändern, wenn sie sich erst an dich gewöhnt haben. Sie haben etwas, das ihnen Sorgen macht, etwas, das nichts mit dir zu tun hat...«
    »Mach dir keine Gedanken«, sagte Will. Einen Augenblick lang sah Jane, wie ein aufmunterndes Lächeln über sein Gesicht glitt, dann hatte er den Blick wieder abgewandt. Sie hatte das beschämende Gefühl, dass sie ihre Worte verschwendete, dass die Unhöflichkeit der Drews Will Stanton nicht im Geringsten getroffen hatte. Schnell nahm sie Zuflucht zu einem leichten Plauderton.
    »Es war schön, als die Fischer und all die andern vom Hafen heraufkamen. Und überall die Möwen... und ich habe auch Gumerry gesehen, aber er scheint wieder weg zu sein. Hast du ihn gesehen?«
    Will schüttelte den Kopf und vergrub seine Hände tief in den Taschen seiner abgetragenen Lederjacke. »Wir haben Glück,

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