Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Simon träge einen Ball zwischen sich hin und her. Bill Stanton betrachtete sie und den daneben liegenden Kricketschläger sehnsüchtig.
»Wart nur«, sagte er zu seiner Frau, die sich neben ihm sonnte, »wir werden dir gleich zeigen, wie's gespielt wird.«
»Prima«, sagte Fran Stanton schläfrig.
Jane, die, auf dem Rücken liegend, in den blauen Himmel blinzelte, richtete sich auf den Ellbogen auf und spähte auf die See hinaus. Sie spürte den heißen Sand auf der Haut; es war ein schöner, sonniger, windstiller kornischer Tag, etwas Seltenes und ganz Besonderes.
»Ich geh ein bisschen spazieren«, sagte sie zu niemandem im Besonderen und wanderte über den langen goldenen Strand auf die Felsen zu, die, wie immer bei Ebbe, von Tang bedeckt am Fuß von Kemare Head glitzerten. Die Landzunge stieg steil über ihr auf, Grashänge wechselten mit zerklüfteten grauen Felsen und ganz an der Spitze stieg die Klippe als glatte Steilwand gegen den Himmel. Janes Kopf war voller Erinnerungen. Sie begann jetzt, über die Felsen zu steigen, und zuckte ein wenig, wenn ihre Füße, die noch nicht durch einen Sommer abgehärtet waren, an den rauen Stein stießen. Hier draußen hatte sie mit Barney und Simon den Höhepunkt ihres Abenteuers erlebt; sie hatten den Gral gefunden, der hunderte von Jahren in einer Höhle verborgen gelegen hatte, deren Eingang nur bei ganz niedrigem Wasserstand zugänglich war. Hier draußen waren sie mit dem Gral und der kleinen Bleiröhre, die sie darin gefunden hatten, vor den finsteren Verfolgern geflohen. Und genau hier, dachte sie, als sie die äußerste Spitze der Felsen erreichte, wo sich die Wellen weiß vor ihren Füßen brachen, genau hier war bei dem Versuch, den Gral zu retten, der Bleibehälter in die Wellen gefallen und auf den Meeresgrund gesunken.
Und dort hatte die
Greenwitch
ihn gefunden und als ihren geheimen Schatz gehütet.
Jane blickte auf das tiefe grüne Wasser jenseits der Brandung hinaus. »Leb wohl,
Greenwitch«,
sagte sie leise.
Sie löste ein dünnes Silberarmband, das sie um das Handgelenk trug, wog es prüfend in der Hand und holte dann aus, um es in die See zu werfen.
Eine sanfte Stimme hinter ihr sagte: »Tu das nicht.«
Jane zuckte zusammen und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren; als sie herumfuhr, sah sie Will Stanton.
»Oh«, sagte sie, »du hast mich vielleicht erschreckt.«
»Tut mir Leid«, sagte Will. Er balancierte über die Steine auf sie zu; seine nackten Füße hoben sich sehr weiß von dem dunklen Seetang ab, der in Büscheln auf den Klippen wuchs.
Jane blickte in sein freundliches, rundes Gesicht und dann auf das Armband in ihrer Hand. »Es hört sich vielleicht dumm an«, sagte sie zögernd, »aber ich wollte der
Greenwitch
einen anderen geheimen Schatz geben, den sie hüten kann. Anstelle des Schatzes, den wir genommen haben. In meinem Traum« — sie machte eine verlegene Pause, fuhr dann aber tapfer fort — »in meinem Traum sagte ich: Ich will dir ein anderes Geheimnis geben, und die
Greenwitch
erwiderte mit ihrer lauten und hallenden Stimme:
›Zu spät, zu spät!‹,
und verschwand...«
Schweigend schaute sie auf die See hinaus.
»Ich habe nur
tu's nicht
gesagt«, sagte Will, »weil ich nicht glaube, dass dein Armband wirklich genügen würde. Es ist aus Silber, nicht wahr, und das Seewasser würde es ganz schwarz machen und es würde schmutzig aussehen.«
»Oh«, sagte Jane nachdenklich.
Will suchte auf dem nassen Felsen einen besseren Halt für seine Füße und griff dabei in die Tasche. Er warf Jane einen kurzen Blick zu und schaute dann weg. »Ich wusste«, sagte er, »dass du der
Greenwitch
etwas schenken wolltest. Vielleicht wäre das hier das Richtige.«
Jane sah auf Wills ausgestreckter Hand denselben grünfleckigen Bleibehälter, der das Manuskript enthalten hatte, das erste Geheimnis der
Greenwitch.
Will zog die Verschlusskappe ab und schüttelte einen kleinen Gegenstand in Janes Hand.
Jane sah ein kleines gelb glänzendes Metallstreifchen, in das ein paar Worte eingraviert waren.
»Es sieht wie Gold aus«, sagte sie.
»Es ist Gold«, sagte Will. »Niedrigkarätig, aber Gold. Es hält sich ewig, sogar dort unten.«
Jane las:
»Macht von der Greenwitch, verloren unter der See.«
»Das ist nur eine Zeile aus einem Gedicht«, sagte Will. »Wirklich? Es ist wundervoll.« Sie strich mit dem Finger über das helle Gold. »Wo hast du es her?«
»Ich habe es gemacht.«
»Du hast es gemacht?« Jane hatte sich umgedreht
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