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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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gestern ein Stein genau zwischen uns und der Sonne stand, dann bedeutet das, dass der Schatten genau dahin weisen muss, wo wir standen. Auf den Felsen, an dem Gummery saß. Schaut mal, man kann ihn von hier aus eben noch sehen.«
    Ihre Augen folgten seinem Arm und sahen den einzelnen klobigen Felsen auf dem gegenüberliegenden Vorgebirge: ein kleiner, weit entfernter Knoten auf der Linie des Horizonts, der von der goldenen Abendsonne hell erleuchtet wurde. Der Felsen lag höher als der stehende Stein auf Kenmare Head und weiter zur See hin. Aber es war ohne Zweifel der Ort, an dem sie am Tag zuvor gestanden hatten.
    Jane starrte Simon mit offener und ungewohnter Bewunderung an. Er errötete leicht und wurde dann energisch: »Los, Barney, schnell, bevor die Sonne untergeht. Was meinst du, welcher Stein war es?«
    »Es war der größte, es muss also der hier gewesen sein.«
    Barney ging ein paar Schritte bergab auf den größten der Steine zu. Dann ging er um diesen herum auf die Seite, die dem Hafen zugekehrt war. Er hockte sich in den Schatten, den der Stein warf, und spähte zu dem einzelnen Felsen auf der anderen Seite der Bucht hinüber, dann runzelte er unsicher die Stirn. Simon und Jane, die neben ihm standen, warteten ungeduldig.
    Barney, der immer verwirrter dreinschaute, legte sich plötzlich bäuchlings ins Gras, sodass er eine Linie mit dem Schatten bildete, und blickte geradeaus. »Liege ich ganz gerade?«, fragte er mit etwas gedämpfter Stimme.
    »Ja, ja, ganz gerade. Ist es der richtige Stein?«
    Barney rappelte sich auf. Enttäuschung lag auf seinem Gesicht. »Nein, der Schatten weist nicht genau auf den Felsen. Man kann den Felsen deutlich sehen, aber um ihn genau im Auge zu haben, muss man den Blick ein wenig zur Seite verschieben. Und das gilt nicht.«
    »Aber du hast doch gesagt, dass du von drüben den größten Stein vor der Sonne gesehen hast.«
    »Das sage ich immer noch.«
    »Das verstehe ich nicht.« Janes Stimme klang verdrießlich vor Enttäuschung.
    Simon dachte angestrengt nach. Der Rucksack baumelte am Schulterriemen an seiner Hand und er schlug geistesabwesend damit gegen sein Bein. Er wandte sich um und blickte zurück zu den anderen drei Steinen, die jetzt schwarz und goldgerändert vor der Glut der Sonne standen. Dann stieß er einen Schrei aus, ließ den Rucksack fallen und stürzte auf den am weitesten entfernten Stein zu. Er ließ sich ins Gras fallen, wie Barney es getan hatte, und legte sich in den Schatten. Mit angehaltenem Atem senkte er sein Kinn ins Gras und schloss die Augen.
    »Schieb deinen Oberkörper ein ganz klein wenig nach links, dann liegst du gerade«, sagte Jane, die dicht neben ihm stand. Sie fing an zu verstehen.
    Simon rückte um ein paar Zentimeter und hob sich dann auf die Ellbogen. »Gut so?«
    »Ja.«
    Simon verschränkte die Finger und öffnete die Augen. Über die Grashalme hinweg sah er genau in seinem Blickpunkt auf der gegenüberliegenden Landzunge den hell erleuchteten Felsen. »Das ist der Richtige«, sagte er mit seltsam gedämpfter Stimme.
    Barney stürzte herbei und ließ sich neben ihm zu Boden fallen. »Lass mich, lass mich — « Er schubste Simon beiseite und blinzelte über den Hafen hinweg zum Felsen hinüber. »Du hast Recht«, sagte er fast bedauernd. »Aber es war der größte Stein, den ich gesehen habe. Das weiß ich bestimmt.«
    »Da hast du Recht«, sagte Jane.
    »Was soll das heißen, Recht?«
    »Sieh dir an, wie die Steine aufgestellt sind. Sieh dir an, wie der Boden abfällt. Wir stehen hier auf dem Kamm des Vorgebirges, aber der Boden hier ist nicht flach, und der große Stein steht niedriger als die anderen. Der, neben dem du jetzt stehst, steht höher, auch wenn er nicht der größte ist. Als du gestern seinen Umriss gesehen hast, sah es nur so aus, als wäre er der größte.«
    »Tatsächlich«, sagte Barney, »auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.«
    Simon sagte ein wenig hochmütig: »Am Ende wärst du wohl doch drauf gekommen.«
    »Das war wirklich klug von dir«, sagte Jane. »Wenn du nicht so schnell gewesen wärst, hätten wir es vielleicht nie gemerkt. Der Schatten wird bald verschwunden sein.« Sie wies auf den Boden. Hinter ihnen hatte die Sonne beinahe den fernen Horizont erreicht, und die Schatten, die sich über den Boden legten, verschlangen allmählich die Schatten, die die Steine warfen. Aber der Felsen auf der Landzunge auf der anderen Hafenseite, der höher lag und immer noch von der Sonne erreicht wurde,

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