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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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Sonne.

Teil IV

Der Mittsommerbaum

Der Zug
    Simon und Jane hatten die Dünen verlassen und überquerten den Golfplatz. Als sie an den Drahtzaun kamen, der die Eisenbahngeleise umgab, hörten sie das sonderbare Geräusch. Es wurde über ihren Köpfen vom Wind weitergetragen: ein deutliches metallisches Dröhnen, wie der einzelne Schlag eines Hammers auf einem Amboss.
    »Was war das?« Jane war immer noch sehr nervös.
    »Ein Eisenbahnsignal. Schau.« Simon zeigte auf den einsamen Mast neben dem Geleis vor ihnen. »Ist mir noch nie aufgefallen.«
    »Muss wohl ein Zug kommen.«
    Simon sagte langsam: »Aber das Signal zeigt auf ›Halt‹.«
    »Na ja, dann ist der Zug eben schon durch«, sagte Jane uninteressiert. »O Simon, ich wollte, wir wüssten, was mit Barney geschieht!« Dann hielt sie inne und horchte, als der Wind ein langes, kreischendes, heiseres Pfeifen aus großer Entfernung zu ihnen trug in Richtung Tywyn. Sie standen jetzt dicht am Zaun. Das Pfeifen ertönte wieder, näher. Von den Geleisen kam ein Summen.
    »Der Zug kommt jetzt.«
    »Aber ein so komisches Geräusch ...«
    Und dann sahen sie in der Ferne, sich gegen die wachsenden grauen Wolken absetzend, eine lange weiße Rauchfahne und hörten, immer näher, das ansteigende Dröhnen eines schnell fahrenden Zuges. Er kam um die ferne Biegung in Sicht und wurde deutlicher, während er auf sie zudonnerte. Er war mit keinem der Züge, die sie jemals gesehen hatten, vergleichbar.
    Simon stieß einen lauten, erstaunten Freudenjuchzer aus.
    »Dampf!«
    Beinahe sofort war ein Zischen und Ächzen und Quietschen zu hören, als der Zug sich dem Signal näherte und der Lokführer die Bremsen betätigte. Schwarzer Rauch entwich dem Schornstein der riesigen grünen Lokomotive, die den langen Zug hinter sich herzog — ein längerer Zug als irgendein anderer auf dieser Linie, mit einem Dutzend oder mehr Wagen, alle in zwei Farben schimmernd, als seien sie neu, schokoladenbraun unten und cremefarben, fast weiß, oben. Der Zug wurde immer langsamer; die Räder kreischten und wimmerten auf den Geleisen. Die gewaltige Lokomotive fuhr langsam an Simon und Jane vorbei, die mit weit aufgerissenen Augen am Zaun standen, und der Lokomotivführer und der Heizer, in blauen Overalls und mit schmutzigen Gesichtern, grinsten und hoben grüßend die Hände. Mit einem letzten langen Dampfpuff blieb der Zug leise zischend stehen.
    Und im ersten Wagen sprang eine Tür auf und eine hoch gewachsene Gestalt stand in der Öffnung und winkte sie mit ausgestreckter Hand heran.
    »Kommt! Über den Zaun, schnell!«
    »Großonkel Merry!«
    Sie kletterten über den Drahtzaun und Merriman zog sie nacheinander in den Zug; vom Boden aus lag die Tür fast so hoch wie ihre Köpfe. Merriman zog die Tür mit einem lauten Knall zu; sie hörten das Scheppern des Signals wieder, als der Arm sich hob und freie Fahrt gab, und dann setzte die Lokomotive sich in Bewegung, ein langsames, schwerfälliges Puffen, das an Geschwindigkeit und Lautstärke zunahm. Die Dünen glitten draußen vorbei und der Zug wurde schneller und schneller, schwankend, schaukelnd und klappernd, und die Räder fingen an zu singen.
    Jane klammerte sich plötzlich an Merriman und sagte mit erstickter Stimme: »Barney — sie haben Barney, Gumerry ...«
    Er zog sie einen Augenblick an sich. »Ruhig, ganz ruhig. Barney ist dort, wo wir hinfahren.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich.«
    Merriman führte sie in das erste Abteil in dem schwankenden Zug; es war völlig leer. Er zog die Schiebetür aus Glas hinter sich zu und sie ließen sich auf die gepolsterten Plüschbänke fallen.
    »Die Lokomotive, Gumerry!« Simon, ein erfahrener Eisenbahnfan, war überwältigt vor Bewunderung. »Einsame Klasse, aus dem Wilden Westen, vor ewig langer Zeit — und dieser altmodische Wagen ... Ich wusste nicht, dass es so was noch gibt, außer in einem Museum.«
    »Nein«, sagte Merriman geistesabwesend. Wie er dort saß, schien er die gleiche zerknitterte Gestalt zu sein, die gelegentlich in ihr Leben wanderte, solange sie zurückdenken konnten; sein langer, knochiger Körper war mit einem formlosen Pullover und dunklen Hosen bekleidet, sein dickes weißes Haar zerzaust. Er starrte aus dem Fenster. Das kleine Abteil wurde plötzlich dunkel, nur von einer schwachen gelben Birne an der Decke beleuchtet, während der Zug nacheinander durch mehrere kurze Tunnel fuhr und schließlich hinter Aberdyfi wieder am Fluss entlangeilte. Eine kleine Station huschte

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