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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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er von ihnen verlangte.
    Während er verwirrt auf den langen, geraden roten Rücken starrte, streckte Simon die Hand aus und öffnete die Tür. Sie blieben auf der Schwelle stehen und beobachteten ganz verwirrt, wie Rufus mit dem gleichen uralten Vertrauen die Straße in ganz gerader Linie überquerte. Als er die andere Seite erreicht hatte, sprang er mit einer schnellen, leichten Bewegung hoch und blieb aufrecht auf der Mauer stehen, hinter der der Fels zwanzig Meter tief senkrecht zum Hafengelände abfiel. Er schien auf die See hinauszublicken.
    »Er wird doch nicht springen?« Jane zuckte vor Angst zusammen, konnte aber nur ein Flüstern herausbringen.
    Und dann hörten sie den Laut, den sie nie mehr vergessen sollten.
     
    Barney erlebte wie in einem Traum bewusst, dass er aus dem großen stillen Haus geführt und in einem Wagen weggebracht worden war und dass sie sich nun in einer Gruppe fortbewegten und das Murmeln der See ganz nahe war. Aber er war sich nicht gewiss, wie viele sie waren oder wohin sie ihn brachten. Seit jenem Augenblick in dem schattigen Zimmer, als jene glühenden schwarzen Augen ihn angestarrt hatten, wusste er nur noch eins: dass er tun musste, was man ihm sagte. Er hatte keine eigenen Gedanken mehr; es war ein seltsames, entspanntes Gefühl, als läge er in einem behaglichen Halbschlaf. Es gab keine Auseinandersetzung mehr, keinen Kampf. Er wusste nur noch, dass die hohe schwarze Gestalt an seiner Seite mit dem breitrandigen schwarzen Hut sein Meister war. Meister ... wer sonst hatte an diesem Tag dieses Wort gebraucht?
    »Komm, Barnabas«, sagte die tiefe Stimme über ihm. »Wir müssen uns beeilen. Die Ebbe setzt ein, wir müssen die Yacht erreichen.«
    »Die Yacht erreichen«, sagte Barney wie im Traum zu sich selbst, »wir gehen auf See.« Es war die See, die er riechen konnte, neben ihm klatschte das Wasser an die Mauer des Hafens von Trewissick.
    Von weit weg, so als käme sie aus großer Höhe, hörte er Polly Withers' drängende Stimme: »Von der Straße vor dem Haus aus kann uns jeder sehen. Sie werden uns sehen, ich weiß es — «
    »Polly«, sagte die tiefe, schleppende Stimme, »Polly, ich bin derjenige, der sieht. Wenn unsere alte Dorffreundin ihre Arbeit gut gemacht hat, wird niemand dort sein. Und wenn man die anderen Kinder hat entkommen lassen ... können sie es etwa mit uns aufnehmen?«
    Von irgendwoher kam Mr Withers' leises, boshaftes Lachen. Barney ging wie eine Maschine weiter. Die Luft war warm und schwer, die Sonne brannte ihm ins Gesicht. Seit sie das Haus verlassen hatten, hatte er sie miteinander sprechen hören, aber nichts, was sie sagten, schien für ihn noch eine Bedeutung zu haben. Er hatte keine Angst; er hatte Simon und Jane vergessen. Es war, als schwebte er außerhalb seiner selbst und beobachtete mit mildem Interesse, wie sein Körper sich fortbewegte, aber er fühlte nichts.
    Und dann kam, so plötzlich wie ein Bogen zerspringt, der Laut. In die Luft hinein, über ihren Köpfen, heulte ein Hund: Es war ein lang gezogener, unheimlicher Ton, so unerwartet und so voller Angst, dass alle für einen Augenblick wie erstarrt stehen blieben. Es klang über den Hafen hinweg, ein gedehntes, unmenschliches Heulen, das alle Warnungen und allen Schrecken der Welt enthielt. Selbst Mr Hastings stand da wie gebannt und lauschte.
    Und der Barney, der außerhalb von Barney, nur lose mit ihm verbunden, in der Luft schwebte, fühlte, wie dieser Ruf ihn mit einem gewaltsamen Ruck weckte. Er blickte auf und sah Rufus über sich stehen. Der Hund hob sich rot vom Himmel ab und der Laut kam immer noch bebend aus seiner Kehle. Und plötzlich wusste der Junge, wo er war und dass er sich davonmachen musste.
    Er drehte sich auf dem Absatz, duckte sich unter den Armen, die zu spät nach ihm griffen, weg und rannte den Kai entlang auf die Straße zu. Die Steigung war menschenleer, der Festzug hatte alles hinter sich hergezogen, und er hatte einen Vorsprung von fünfundzwanzig Metern, bevor die verwirrte Gruppe auf dem Kai die Verfolgung richtig aufnehmen konnte. Er hörte hinter sich die Schreie und das Getrampel der Füße und stürzte den Hügel hinauf auf das
Graue Haus
zu.
    Simon und Jane standen völlig verwirrt auf den Eingangsstufen. Zuerst dieses grauenhafte Geheul von Rufus und nun kam plötzlich Barney angelaufen mit vier bedrohlichen Gestalten auf den Fersen. Sie liefen ihm, ohne zu überlegen, die Stufen hinunter entgegen, dann wandten sie sich erschrocken um —sie

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