Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
gut, dass wenigstens einer in der Familie Verstand hat«, sagte Simon.
»Wer? Du etwa?«
»Ich wüsste nicht, was ihr ohne mich anfangen wolltet.«
»Na, komm schon«, sagte Jane ungeduldig, »du hast doch keine Taschenlampe und kein Seil. Tu also nicht so.«
»Ich habe fast ein Seil.« Simon wühlte in seiner Hosentasche. »Ihr wisst doch: Als wir heute Morgen unsere Taschen nach einer Kordel durchsuchten und wir nur deine Garnrolle fanden — nun, da habe ich mir gedacht, wir sollten für alle Fälle besser gerüstet sein —, und als wir wieder nach Hause kamen, habe ich etwas von Vaters Angelschnur geklaut. Er hatte nicht alles mitgenommen.« Seine Hand kam mit einem Knäuel dünner brauner Schnur zum Vorschein. »Die ist so stark wie jedes Seil.«
»Daran hätte ich nie gedacht«, sagte Jane beeindruckt.
»Ich habe auch noch den Kerzenstummel. Aber ich wette, deine Streichhölzer hast du nicht mehr.«
Jane stöhnte. »Nein. Die waren in meinem Mantel und den habe ich zu Hause gelassen. Schade.«
»Das hatte ich mir gedacht«, sagte Simon, und mit der eleganten Geste eines Zauberkünstlers zog er den Kerzenstummel und eine Schachtel Streichhölzer aus der Hemdtasche. Dann machte er ein langes Gesicht. »Oh weh, sie sind nass geworden. Das muss passiert sein, als ich in den Graben gefallen bin. Der Kerzendocht ist klatschnass, da kann man nichts machen. Aber die Streichhölzer sind trocken.«
»Die werden genügen«, drängte Barney. »Das ist prima. Los, komm!« Simon zog die Teleskophülle unter dem Arm hervor und reichte sie Jane. »Nimm du das Manuskript in Verwahrung, Jane. Wenn es mir drinnen hinfiele, würden wir es niemals wieder-finden.« Er blickte noch einmal auf die See hinaus. Die Felsen bildeten da, wo sie standen, fast etwas wie einen gepflasterten Weg. Sie erstreckten sich beinahe flach vom Fuß des Kliffs ins Wasser. Nur vor dem Eingang der Höhle stand ein einzelner grauer Felsbrocken.
Das Wasser leckte immer noch sanft gegen den Rand dieses Felsweges, der hier sechs oder sieben Meter breit war. Seit sie den Strand verlassen hatten, war das Wasser weder vorgedrungen noch weiter zurückgewichen.
Simon überlegte ängstlich, wie viel Zeit ihnen noch blieb, bevor die Flut kommen würde.
»Vermutlich haben wir noch eine halbe Stunde«, sagte er zögernd. »Danach müssen wir sehen, dass wir schnell hier wegkommen, sonst sind wir abgeschnitten. Komm, Barney, und halt still.«
Er fand das lose Ende der Angelschnur und band sie fest um Barneys Bauch. »Wenn du als Erster gehst, halte ich mich an der Schnur fest.«
»Meinst du wirklich, er sollte hineingehen?«, sagte Jane. Barney drehte sich um und sah sie wütend an.
»Mir gefällt die Idee auch nicht gerade«, sagte Simon, »aber er hat Recht, es ist sehr eng, und vielleicht ist er der Einzige, der richtig hineinkann. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde ihn schon nicht verlieren. Hier — « Er reichte Jane das Knäuel mit der Angelschnur. »Und lass sie nicht locker werden.«
»Zieh aber auch nicht zu fest daran«, sagte Barney, indem er auf den Spalt zuging, »sonst schneidest du mich in der Mitte durch.«
Jane schaute auf die Uhr. »Es ist jetzt fast fünf. Wenn ihr zehn Minuten drin gewesen seid, ziehe ich zweimal, damit ihr Bescheid wisst.«
»Zehn Minuten«, sagte Barney verächtlich. »Vielleicht müssen wir meilenweit hinein.«
»Ihr könntet ersticken«, sagte Jane, die dem Verzweifeln nah war.
»Ich habe eine gute Idee«, sagte Simon und warf einen schnellen Blick in ihr Gesicht. »Du ziehst zweimal, und wenn ich zweimal zurückziehe, dann bedeutet das, dass alles in Ordnung ist, wir aber noch drinbleiben. Wenn ich dreimal ziehe, bedeutet es, dass wir herauskommen.«
»Und wenn ich dreimal ziehe, dann bedeutet es, dass ihr zurückkommen müsst, weil die Flut sich gewendet hat.«
»Gut. Und viermal ziehen ist ein Notsignal — aber«, fügte er hastig hinzu, »das wird bestimmt nicht nötig sein.«
»Nun gut«, sagte Jane. »Oh mein Gott. Bleibt nicht zu lange.«
»Nun, wir werden langsam vorgehen müssen. Und reg dich nicht auf, es wird schon nichts schief gehen.« Simon klopfte ihr auf den Rücken und folgte dann Barney, der wie ein Hund an der Leine an der Schnur zog, dann winkte er kurz nach hinten und verschwand im Eingang der Höhle.
14. Kapitel
Barney blinzelte in die Dunkelheit. Als seine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, wurden unbestimmte Umrisse sichtbar. Er merkte, dass das Licht von draußen
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