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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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mitternächtlichen Spaziergang entschlossen hatte.
    Später wünschte er sich, er hätte sich umgedreht und in die Dunkelheit zurückgezogen. Oder etwas anderes getan als
das, was er schließlich tat. Aber in diesem Moment zog ihn etwas weiter. Und dieses Etwas, das ihn weiterzog, sorgte auch dafür, dass er keinen Laut von sich gab.
    Er hörte, wie eine Kehle den Atem anhielt. Er sah ein einziges Geschöpf, die eine Hälfte braun, schlank und muskulös, die andere weich und weiß, beide Hälften in einer Bewegung von atavistischer Bedeutung erstarrt. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass die helle, kräftige Linie, die vom Mondlicht hervorgehoben zwischen den Maulbeerzweigen herausragte, Ahmeds gewölbtes Rückgrat war.
    Die beiden Geliebten lösten sich voneinander. Bella wandte sich der Dunkelheit zu, als versuche sie ihr Gesicht in der Wand zu vergraben.
    »Geh nur«, sagte Ahmed zu ihr mit einer Stimme, die nichts mit dem Tonfall gemein hatte, den er gewöhnlich dem Rest der Welt gegenüber anschlug. »Ich kümmere mich darum.«
    Sie wandte sich Arkady zu, als wollte sie etwas erklären oder sich entschuldigen, dann seufzte sie schwer und floh durch den langen, schwingenden Tunnel aus tropfenden Zweigen.
    Als Arkady sich wieder Ahmed zuwandte, beobachtete ihn der große Aziz-A. Das Gesicht war völlig ausdruckslos; seine Hände, die an den Seiten herunterhingen, öffneten und schlossen sich auf eine Weise, die Arkady deutlich bewusst machten, dass er damit eben eine Frau berührt hatte.
    »Es ist nichts passiert«, sagte Ahmed. Arkady bemerkte, dass er auf den Fußballen stand wie ein wildes Tier, das sich für Flucht oder Kampf bereit machte. »Sie war nur neugierig. Es ist nichts passiert.«
    »Gut«, sagte Arkady.
    »Du glaubst mir nicht.«
    »Doch, ich glaube dir. Wirklich.«
    »Was mit mir passiert, ist mir egal.« Ahmed war unruhig, trat näher an Arkady heran, als hoffte er, seinen Worten durch die körperliche Nähe mehr Nachdruck zu verleihen. »Aber tu das Bella nicht an. Du weißt nicht, was in den Euthanasiestationen
geschieht, Arkady. Sie lassen einen nicht einfach sterben. Sie versuchen einen zu reparieren. Sie versuchen es so intensiv, bis man sie anbettelt, einen zu töten.«
    Arkady sah ihn sich genau an. Er hatte das Gefühl, dass er ihn zum ersten Mal als körperliches Wesen wahrnahm. Die braune Haut, das blauschwarze Haar und das dominante Auftreten, die er bisher nur als Chiffren für das AzizSyndikat betrachtet hatte, wurden auf einmal zu einem Körper, Ahmeds Körper.
    Er versuchte sich diesen Körper in Bellas Umarmung, in der Umarmung irgendeiner Frau vorzustellen, und fand den Gedanken … nicht direkt abstoßend, aber unbegreiflich. Wie genau sollte das funktionieren? Wie sollten die beiden, die nichts vom Körper ihres Geliebten, nichts von seinen Bedürfnissen und Sehnsüchten wussten, je in der Lage sein, den anderen zufriedenzustellen?
    »Es ist nicht ihre Schuld«, wiederholte Ahmed, als Arkady stumm blieb. Seine Stimme fiel zu einem heiseren, flehenden Flüstern ab. »Ich habe ihr einfach leid getan. Warum sollte man sie dafür bestrafen?«
    Arkady sah weg. Ahmed hatte auf einmal etwas im Blick, das er nicht ertragen konnte. »Ich habe nichts gesehen«, sagte er. »Wirklich nichts.«
    »Meinst du das ernst?«
    Er nickte. Er brachte es immer noch nicht fertig, sein Gegenüber anzusehen.
    »Du bist anständig, Arkady.«
    Die Bilder, die Arkady durch den Kopf gingen, waren lebhaft, bestürzend, in einer unangenehmen Grauzone zwischen dem Erotischen und dem Abstoßenden angesiedelt. Und irgendwie hatte sich der flüchtige Anblick von Ahmed und Bella auf schauderhafte Weise mit seiner eigenen obsessiven, verzehrenden Sehnsucht nach Arkasha vermischt.
    »Ich bin nicht anständig«, flüsterte er. »Alles andere als das.«

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    ► Es ist nichts »Künstliches« an der Geburt einer KI. Es ist ein genauso natürlicher Vorgang wie das Wetter … und ein Vorgang, der sich genauso wenig vorhersagen oder steuern lässt. Lang vor dem Durchbruch zu einer Emergenten KI übersteigt die Aufgabe, das organisierte Chaos innerhalb funktionsfähiger Grenzen zu halten, die Kapazität eines menschlichen Programmierers. Während Debugging und Fehlersuche an die KI delegiert werden, erwirbt sie ein wachsendes Arsenal an peripheren Systemen: Systeme, die von der KI zu eigenen Zwecken entwickelt werden, statt von Menschen für menschliche Zwecke. Innerhalb eines

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