Lichtjagd
mich quer, und du ziehst einen potenziellen Selbstmord aus dem Hut, um dafür zu sorgen, dass ich den Köder schlucke, ohne ihn mir näher anzusehen. Gar nicht schlecht … für einen Amateur jedenfalls.«
»Ich habe es mir nicht ausgedacht! Und ich bin auch nicht auf Befehl hier, falls Sie das andeuten wollen.«
»Komm mir nicht mit Wortspielen, Arkady. Leute wie du brauchen keine Befehle, um ihr Leben wegzuwerfen. Deswegen seid ihr ja die nächste Stufe auf der Evolutionsleiter, nicht wahr? Deshalb werdet ihr uns auslöschen und eine schöne neue Welt ohne Menschen errichten.«
»Wir wollen euch nicht auslöschen«, flüsterte Arkady. »Wir wollen nur in Ruhe gelassen werden.«
Mosche stand auf, ging in der Kabine auf und ab, trat an die Sichtluke und starrte in die klare, silbrige Nacht hinaus. »Hast du im Krieg gekämpft, Arkady?«
Es war unnötig zu erwähnen, welchen Krieg er meinte. Der Kampf zwischen der UN und den Syndikaten war zu einem gefährlichen Schwelen abgeflaut, aber er war immer noch die Achse, an der sich alle anderen Konflikte aufreihten. Selbst auf der einsamen, abgelegenen Erde.
»Ich war zu jung.«
»Zu jung, um dich zu erinnern, oder zu jung, um mitzukämpfen? «
Bilder ausgebrannter Brutstationen kamen ihm in den Sinn. Bilder einst von Leben sprühender Ringstationen des ZhangSyndikats, die aufgerissen und dem harten Vakuum ausgesetzt waren. Bilder von Sternschnuppen, die in Wahrheit sterbende Schiffe und Piloten waren … aber, pst, bloß nichts den Kindern der Brutstationen sagen. »Nur zu jung, um zu kämpfen«, sagte er schließlich.
Arkady war sechs gewesen, als die Schießereien begannen. Schon die offiziellen Kämpfe zwischen der UN und den Syndikaten waren so blutig gewesen, wie eine raumfahrende Zivilisation es sich kaum vorstellen konnte, aber die Aufstände waren noch viel schlimmer gewesen. Die gesamte Population der Neomenschen hatte sich erhoben, entweder weil sie die Abspaltung unterstützten oder weil die Präsenz der sonst allgegenwärtigen UN-Friedenstruppen so weit zurückging, dass sie ihre Unabhängigkeit anstrebten. Die UN hatte Gewalt mit Gewalt beantwortet, und in acht der fünfzehn Treuhandschaften hatten die Friedenssoldaten auf Demonstranten geschossen. Die Schüsse hatten in der ganzen Peripherie Aufstände losgetreten und die UN gezwungen, an zwei Fronten zu kämpfen … ein Krieg, den viele nicht mehr als einen politischen Konflikt betrachtet hatten, sondern als tödlichen Kampf zwischen zwei Spezies, die dieselbe ökologische Nische beanspruchten.
Arkady betrachtete Mosche, das kluge, entschlossene Gesicht, den schlanken, doch kräftigen Körper. »Haben Sie denn im Unabhängigkeitskrieg gekämpft?«
»Wenn du mit Menschen darüber sprichst, solltest du es vielleicht anders nennen. Aber nein, ich habe nicht gekämpft. Es wird nicht verlangt, dass die Erdbewohner Truppenkontingente für außerirdische Friedensmissionen stellen.« Mosche nahm wieder Platz, beugte sich vor und starrte Arkady an. »Aber ich habe den Krieg in den Abendnachrichten verfolgt. Ihr habt wie Ameisen gekämpft. Ihr seid gestorben und gestorben und gestorben, bis Friedenssoldaten Nervenzusammenbrüche erlitten, weil sie zu viele von euch abknallen mussten. Womit drohen euch eure Offiziere, damit ihr so kämpft?«
»Wir haben keine Offiziere.«
»Wovor fürchtet ihr euch dann? Menschen kämpfen nur so, wenn sie etwas noch mehr fürchten als den Tod.«
Später sollte Arkady diesen Moment als einen Wendepunkt betrachten. Bis hierher war es ihm gelungen, wenn auch mit
Mühe, Mosche raten zu lassen. Von da an aber wussten Mosche und Osnat im Innersten, was er wirklich war … auch wenn es eine Weile brauchte, bis dieses Wissen in ihre Köpfe vorgedrungen war.
»Es gibt Dinge, die sind stärker als die Angst«, flüsterte er.
»Zum Beispiel?«
Er zögerte, weil er plötzlich Osnats bohrenden Blick im Rücken spürte. Es gab viele sichere Worte, die er hätte wählen können. Pflicht. Ehre. Genetische Loyalität. Genetische Gaben. Wenn er eines dieser abstrakten Konzepte vorgeschoben hätte, hätte er die Lüge aufrechterhalten können. Er hätte das leere Gefäß bleiben können, das Korchow haben wollte: ein Gefäß, in das Mosche seine eigenen Überzeugungen und Sehnsüchte füllen konnte, ohne je an die Wahrheit dessen zu rühren, was auf Novalis geschehen war.
Statt dessen sprach Arkady das einzige Wort aus, das in seinem scheppernd leeren Schädel geblieben
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