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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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überschlugen sich bereits die Berechnungen, Hoffnungen, Träume, Vorerwartungen.
    »Ich möchte nicht, dass Sie etwas überstürzen«, sagte Safik. »Am allerwenigsten möchte ich Sie zu etwas drängen, vom dem Korchow gehofft hatte, dass ich Sie dazu drängen würde. Gehen Sie zu Mosche zurück. Denken Sie darüber nach. Ich bin mir sicher, wir werden noch einmal eine Gelegenheit haben, miteinander zu reden. Das heißt, solang Sie nichts sagen, das Ihre Wächter rätseln lässt, mit wem Sie hier drüben gesprochen haben.«
    Und wenn das keine gute Methode war, sich sein Schweigen zu erkaufen, dachte Arkady, was dann?

MET und EMET
    ► Jede Kunst geht aus der Wissenschaft hervor, so wie jede Wissenschaft ihre Ursprünge in der Magie hat. Obwohl sich sehr schwer sagen lässt, wann das KI-Design die Schwelle von der Wissenschaft zur Kunst überschritten hat, sind zwei Namen unlösbar mit diesem Ereignis verknüpft: Hyacinthe Cohen und Gavi Schehadeh. Was immer man von Gavis Golem hält, ist doch sein Status als Wendepunkt in der Geschichte der KI – und der Geschichte Israels – unbestritten.
     
    Yoshiki Kuramoto TN 283854-0089.
Ist der Mond noch da, wenn niemand hinschaut?
Mein imaginäres Leben in der Mathematik ,
New Delhi University Press, Indischer Bogen 2542

    Z u der Zeit, als er sein Bein verlor, war Gavi Schehadeh allgemein so unbeliebt gewesen, dass auf beiden Seiten der Grünen Grenze anfangs niemand glauben konnte, es sei kein wohl verdienter Attentatsversuch gewesen. Die Tatsachen – der Sabbat -Besuch bei dem Teil seiner jüdischen Familie, der noch mit ihm redete, das spontane Fußballspiel, der verlorene Ball und das blutige Gemetzel im Unkraut – kamen so qualvoll langsam ans Tageslicht, dass Gavi schon wieder auf den Beinen war und gehen konnte, bevor die meisten seiner alten Freunde und neuen Feinde zugeben wollten, dass ihn eine ganz normale Landmine verkrüppelt hatte.
    Er war gerade wegen der Absalom-Affäre beurlaubt worden, als es geschah, und binnen eines Monats lief er mit einem neuen Bein aus Keramik-Verbundwerkstoff herum, das er der speziellen Amputiertenstation des Hadassah-Hospitals und der zunehmenden Einsicht verdankte, dass seine Karriere in Tel Aviv ein Ende gefunden hatte.
    Die Versetzung nach Yad Vashem war ihm anfangs wie eine Flucht vorgekommen, als Didi sie ihm vorschlug. Erst als er sich für die obligatorischen Sperma- und Blutproben in der IAS-Zentrale meldete, wurde ihm klar, dass er einen Posten angenommen hatte, der nach Meinung der meisten Leute auf eine langsame Todesstrafe hinauslief. Wie auch immer, hatte er sich gesagt. Sein Exil wäre nach ein paar Monaten, höchstens nach einem Jahr vorbei.
    Aber inzwischen dauerte es schon fast vier Jahre.
    Er war sich nicht sicher, wann ihm Gavi, der Verräter, allmählich realer vorgekommen war als der Mann, der er immer
zu sein geglaubt hatte. Aber es gab äußere Anzeichen, an denen er das Ausmaß bemessen konnte, mit dem seine neue seine alte Identität ausgeschlachtet hatte. Vor seinem zweiten Sommer in Yad Vashem hatte er aufgehört, Briefe zu schreiben und in der Hoffnung auf einen neuen Posten seine früheren Kollegen anzurufen. Dann hatte er seine ohnehin sporadischen Besuche in Tel Aviv und Jerusalem ganz eingestellt. Und irgendwann im dritten Jahr seines Lebendig-begraben-Seins hatte er sich eingestanden, dass seine früheren Feinde, wenn sie gewusst hätten, wie er sich fühlte, wann immer er das Dickicht der Grünen Grenze verlassen musste, ihn aus schierer Bosheit sofort wieder ins achte Geschoss versetzt hätten.
    GOLEM war aus der routinemäßigen Datenverwaltung hervorgegangen, die in den ersten Jahren in Yad Vashem einen Großteil von Gavis Zeit beanspruchte. Die Anzahl der Aussagen von Überlebenden – die schiere Masse an Informationen – , die Yad Vashems Archive enthielten, war unvorstellbar. Diese Aussagen waren das Herz Yad Vashems, das wahre Denkmal des Ewigen Namens, und mit keinem anderen Mahnmal vergleichbar, das die Menschheit je errichtet hatte. Aber Denkmäler aus Silicium waren den Kräften der Zeit und der Schwerkraft ebenso ausgesetzt wie solche aus Marmor.
    Die Zeit verging, Spinvideos degenerierten, Festplatten und Datenkuben verfielen. Dateien, die nicht in regelmäßigen Abständen frisch kopiert und abgespeichert wurden, verloren den einseitigen Kampf gegen die Entropie. Und so wie in Europas alten Shuls und Klöstern wurden nur die Daten kopiert, die Leute tatsächlich benutzten.

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