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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Ausleseverfahren die Wahrscheinlichkeit wuchs, selbst an der Reihe zu sein?
    Er fand keine Antwort in den Gesichtern der beiden Bellas – nur ein blasse, polierte Schönheit, die nicht einmal die üblichen Zugeständnisse an die Menschheit machte. Als er das erste Mal in diese violetten Augen gesehen hatte, umrandet vom filigranen Muster des MotaiSyndikat-Logos, war Arkady zu dem Schluss gekommen, dass der Transhumanismus trotz aller viel gerühmten politischen Reinheit einen Schritt in eine evolutionäre Zukunft bedeutete, in der er nicht leben wollte.
    Die Aurelias dagegen waren Balsam für Arkadys heimwehkranke Seele. Sie waren Rostows, so wie Arkadys Duopartner. Groß und schlank, mit langfingrigen Chirurgenhänden, langen Nasen und langen, schmalen Gesichtern, die ohne ihr humorvolles, sensibles, intelligentes Mienenspiel bedrohlich streng gewirkt hätten. Sie flezten sich am anderen Ende des Tisches wie zwei Wolfshunde aus demselben Wurf, lehnten sich so zwanglos aneinander, dass Arkady vermutete, sie seien alte Freunde oder ein Liebespaar. Ein Blick auf Aurelia, die Chirurgin, verriet Arkady, dass sie in ihrer Schulzeit in der ersten Reihe gesessen und sich ständig gemeldet hatte, um zu beweisen, dass sie alle Antworten wusste. Ein Blick auf ihre Schwester überzeugte ihn ebenso sicher davon, dass sie auf einer Hinterbank gesessen, Zettel weitergereicht, mit Papierkügelchen geworfen und sich aufs Fußballtraining gefreut hatte. Die Geologin war im Moment sehr leicht zu erkennen, denn ihre Haut war etwas stärker gebräunt als die ihrer genetischen Schwester. Aber selbst wenn die Bräunung
verblasste, wäre es kein Problem, diese beiden starken Persönlichkeiten auseinanderzuhalten.
    Sie stammten aus der A12-Serie des RostowSyndikats, und die Nummerierung deutete an, dass sie eine Menge genetisches Material mit Arkadys eigener A-11-Linie gemeinsam hatten. In höherem Maße als üblich sogar; es kam äußerst selten vor, dass eine neu entwickelte Abstammungslinie schon nach zwei Jahren für die Produktion im Großmaßstab freigegeben wurde, und es war unter der Schirmherrschaft eines inzwischen legendären Entwicklerteams geschehen. Wenn er sie über den Tisch hinweg ansah, fühlte Arkady einen besitzergreifenden Stolz auf die phänomenale Qualität der Arbeit seiner Rostow-Geschwister – ein Stolz, der eher verstärkt als abgeschwächt wurde durch die Tatsache, dass er nie ihre Namen erfahren oder irgendwie in der Lage sein würde, sie von ihren tausenden Genverwandten zu unterscheiden.
    Das letzte Arbeitspaar war nur durch einen von beiden vertreten – der andere hatte im Moment vermutlich auf der Brücke Dienst. Beide Banerjees, die an der Novalis-Mission teilnahmen, waren Astrophysiker mit einer sekundären Spezialisierung im technischen Bereich, was ihnen erlaubte, den beiden Aziz-Piloten während der Flugphasen der Mission Unterstützung zu leisten. Ranjipur … und Shrinivas, stimmte das? Arkady fand es sehr schwierig, sich individuelle Namen zu merken. Er konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie Menschen dieses Problem bewältigten. Aber Banerjee war eins der ältesten Syndikate, das noch vor der Abspaltung entstanden war, und es war stolz darauf, dass es die seit der Abspaltung gebräuchlichen Namenskonventionen nicht benutzte. Es war, wie das RostowSyndikat, ebenso stolz darauf, dass es sich dem Trend unter den Syndikaten hin zu kastenbasierten Abstammungslinien widersetzte. Alle Banerjees, mit welch bizarren Buchstaben ihre Namen auch beginnen mochten, waren also A-Klasse-Konstrukte.

    »Na gut«, sagte der Lässige Ahmed, als sich alle am Tisch vorgestellt hatten und Arkady einige Angriffe auf sein Curry unternommen hatte. »Jetzt zu wichtigeren Dingen. Zum Beispiel: Wer macht morgen das Frühstück?«
    »Ich koche doch gern?«, sagte eine der Bellas mit einer so zarten Stimme, dass es wie eine Frage klang.
    Arkady hatte es bereits aufgegeben, die beiden Bellas voneinander zu unterscheiden. Jetzt bemerkte er, dass diejenige, die gesprochen hatte, mit einem Geschirrtuch in der Hand dastand und offenbar für alle den Abwasch machen wollte. Die B-Klasse-Konstrukte von Motai glaubten doch wohl nicht, dass die anderen von ihnen erwarten, hinter ihnen aufzuräumen? Das war keine fachliche Spezialisierung. Das war menschliches Klassendenken!
    »Andererseits dagegen«, fuhr Bella fort, »hat Arkasha ja schon einen guten Anfang gemacht …«
    »Arkasha?« Der Lässige Ahmed grinste sie ungläubig ab.

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